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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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machte ihr nichts aus. Wir gewöhnten uns an die Hitze und die Ausdünstungen, die damit einhergingen. Im Augenblick konnte ich jedenfalls nur noch daran denken, wie sehr Fofo uns vermissen würde, und stellte mir zum ersten Mal ernsthaft vor, dass ich ihn auch vermissen könnte. Seine Witze und seine Fürsorge begannen mir jetzt schon zu fehlen.
    Ein unbeschreibliches Schuldgefühl stieg in mir auf, und ich fand mich plötzlich undankbar, weil ich unbedingt von hier fortwollte. Ich konnte Fofo nicht ins Gesicht sehen, er konnte uns nicht ansehen. Würde Yewa doch nur irgendwas sagen oder mit etwas Verrücktem die Stille beenden, aber sie saß einfach nur da mit traurigem Blick, und allein die Tatsache, dass sie die Stille nicht störte, verstärkte mein Schuldgefühl. Mit wem würde Fofo sich unterhalten, wenn er von der Arbeit heimkam? Wer würde für ihn kochen, für ihn abwaschen? Wie konnten wir ihm seine Fürsorge vergelten, wie ihm dafür danken, dass er uns diese Pateneltern gefunden hatte, die unseren richtigen Eltern in Braffe halfen und unsere Geschwister nach Gabun nachschicken würden? Ich beschloss, meinen Eltern haarklein zu erzählen, was Fofo seit unserer Ankunft hier für uns getan hatte. Und ich sagte mir, wenn er Kinder hatte, würde ich alles tun, um ihnen zu zeigen, wie lieb ich sie hatte.
Ich stellte mir vor, wie wir darauf bestehen würden, dass unsere Pateneltern uns erlaubten, ihn zu besuchen. Jede Woche wollte ich ihm einen Brief schreiben, ihm von unserem Leben erzählen. Vielleicht konnte er uns ja auch besuchen.
    »Aber du kannst doch mitkommen«, schlug Yewa vor. »Mama hätte sicher nichts dagegen. Bestimmt könntest du bei Fofo Vincent, Fofo Marcus oder Fofo Pierre wohnen.«
    »Oder bei Fofo David und Tantine Cecile«, warf ich eifrig ein.
    »Und wir könnten die Nanfang mitnehmen«, sagte meine Schwester. »Die kannst du dann in Gabun verkaufen, wenn du ein Auto hast.«
    »Nein, erst will ich lernen, wie man damit fährt«, wandte ich ein.
    »Aber wenn du nicht mit uns kommst«, sagte sie, »ist das auch okay. Dann kaufe ich dir einen Lexus und einen Mercedes … Und ich schicke dir Geld.«
    Fofo Kpee blickte sie traurig an, tunkte seine Finger in den Wassereimer an seinem Bett und spritzte mir einen Tropfen ins Gesicht. »Na, wirst mich auch vermissen, Pascal?«, stichelte er.
    »Ja, Fofo Kpee, das werd ich«, sagte ich und nickte. »Ich bau dir Häuser so groß wie die auf den Fotos von unseren Pateneltern.«
    » Non , ich komm mit nach Gabun! Mit euch!«
    Niemand sagte daraufhin ein Wort. Wir schauten uns an, und dann mussten wir lachen, bis wir weinten. Wir schwatzten, nur kam uns alles feierlich und irgendwie unwirklich vor. Fofo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, gab dann aber auf. Er schnappte sich die Flasche vom Tisch und kippte sich den Gin hinter die Binde, als bräuchte er einen großen Schluck, um runterzuspülen, was er eigentlich hatte sagen wollen.
    Dann goss er uns reichlich in unsere Tassen ein und sagte, wir müssten feiern, dass er mit uns nach Gabun fahre. Be
geistert tranken wir, bis unsere Augen blitzten und der payó uns ins Gedärm biss. Mich durchfuhr ein Energiestoß, meine Schwester wurde ziemlich redselig, und der Schlaf wich in weite Ferne.
     
    Als wir an jenem Abend glaubten, er wolle mit dem Unterricht anfangen, erhob er sich so langsam, als hätte Voodoo von ihm Besitz ergriffen, und ging zur Lampe, bei der er immer stand, wenn er uns auf die Reise vorbereitete. Er legte seinen wrappa ab, warf ihn über den Tisch auf den Boden und war splitternackt, genau wie wir. Erst hielten wir es für ein Versehen. Dann dachten wir, er sei betrunken, dabei hatten wir ihn noch nie betrunken erlebt. Als er seinen Lendenschurz aber nicht wieder aufhob, machten wir uns Sorgen. Er sah aus wie jemand, der auf dem Straßenmarkt gestohlen hatte und gesteinigt werden sollte. Meine Schwester hielt sich beide Hände vor den Mund, damit ihr kein Laut entwich; ihre blicklosen Augen waren weit aufgerissen. Vor Verlegenheit begann ich zur Decke zu schauen.
    Fofo Kpee goss Wasser in einen Eimer und fing an, sich mit einem Handtuch abzureiben. Wie er sich da mit sehr wenig Wasser etwas Kühlung verschaffte, als wäre er ein Kamelreiter auf dem Ritt durch die Sahara, bot er einen unerträglichen Anblick. Seine Unbeschwertheit war verflogen, und im Zimmer wurde es mucksmäuschenstill, nur der Wind war zu hören und die Geräusche, mit denen er das Tuch in den Eimer tunkte und

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