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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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verstand, weshalb ich meine Meinung geändert hatte? Wer würde mir schon glauben, wenn ich erzählte, was Fofo in jener schlimmen Nacht getan hatte? Und was, wenn unsere Geschwister ähnliche Erfahrungen gemacht hatten und sich nicht beklagten? Wieder überlegte ich, wie ich mit Yewa fliehen sollte. Wie konnte ich sie überreden, mit mir zu kommen, wenn sie sich doch so auf die Reise nach Gabun freute?
    Einen Moment lang fragte ich mich, ob ich Monsieur Abraham berichten sollte, dass unser Onkel verrückt geworden war, und ob ich ihm nicht besser von unserem nächtlichen Unterricht und meinen Fluchtplänen erzählte. Aber ich schämte mich zu sehr. Was würde er von mir denken? Und was, wenn meine Klassenkameraden vom Irrsinn meines Onkels Wind bekamen?
    Längst hasste ich unser Haus und wusste, selbst wenn wir ewig hier draußen unterm Mangobaum säßen, würde ich nie wieder zurückwollen. Haustür und Fenster standen weit offen wie die Blüten einer fleischfressenden Pflanze, die sich schlossen, sobald die Beute ins Innere gelangte. Die tief stehende Sonne warf Schatten über die Terrasse, und ihr Licht fing sich in einem der offenen Fenster, dessen Metall wie ein Köder glitzerte.
    »Wenn wir nicht mit ihm streiten, ist er vielleicht nicht auf uns böse«, sagte ich zu meiner Schwester. »Lass uns reingehen.«
    »Ich will, dass Mama kommt.«
    »Steh auf!«, sagte ich und stieß sie von meinen Schenkeln.
    Auf Zehenspitzen gingen wir zur Tür und sahen ins Haus. Fofo lag lang ausgestreckt auf dem Bett wie ein von Fischern an Land gezogenes Ungeheuer. Seine Augen waren geschlossen. Die Narbe auf seiner Wange glich einem Wurm, der sich vom Auge zum Mund wand – oder umgekehrt – und seine gute Laune auffraß. Wir schlichen zu unserem Bett, legten uns hin und starrten an die Decke. Obwohl er den ganzen Nachmittag ohne Unterlass gearbeitet hatte, klaffte unterm Dach nur eine Reihe Löcher. Sie sahen hässlich aus wie ein halbfertiger Haarschnitt, grob und bedrohlich. Das Zimmer war schlimmer als vor dem Verputzen. Über die Wände liefen jetzt lange Risse, als hätte Fofo Kpee ein Wandgemälde mit lauter Blitzen aufzutragen versucht. An einigen Stellen war der Lehm abgeplatzt, so dass schimmliges Mauerwerk zum Vorschein kam. Der Geruch von Steinstaub hing in der Luft.
    Wir wussten, so, wie er jetzt schlief, würde er niemals die Energie aufbringen, auch noch das Hinterzimmer anzugehen. Als er wach wurde, redete er nicht mit uns; er wirkte gedrückt, und selbst das wirre Gemurmel, zu dem er in diesen Tagen so oft neigte, schien ihm vergangen zu sein.
    Da er weder Essen noch Trinken wollte, machte ich nur für meine Schwester und mich eine Kleinigkeit. Wir aßen rasch, ohne zu reden. Er lag einfach nur auf seinem Bett und starrte die Löcher an, die er in die Wand geschlagen hatte, als dränge alles, was ihn beunruhigte, durch sie ein, um uns zu schaden. Er lag mit dem Gesicht zur Zimmerdecke, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, Ellbogen nach oben, Beine übereinander. Mal wirkte er reglos wie ein Leichnam, dann wieder zuckte er bei jedem Geräusch zusammen.
    Wegen der Löcher schliefen wir in dieser Nacht so gut wie lange nicht mehr. Der Unterricht fiel aus.
     
    Big Guy besuchte uns am nächsten Tag. Er tauchte ohne jede Vorwarnung auf und stürmte, ohne anzuklopfen, ins Haus. Fofo lag auf dem Bett. Big Guy trug seine Alltagssachen; er sah ungepflegt aus und wirkte besorgt. Als hätte Fofo ihn erwartet, blickte er sich nicht einmal nach ihm um und stand auch nicht auf, um ihn zu begrüßen. Im Gegenteil, kaum wusste er, wer gekommen war, machte er sich auf seinem Bett so breit, dass sich niemand zu ihm setzen konnte. Unser Besucher aber beachtete ihn gar nicht, sondern wandte sich gleich an uns.
    » Mes amis , he, wie geht's euch heute?«, fragte er, hielt uns die hochgereckten Daumen hin und setzte ein breites Grinsen auf.
    »Gut«, sagten wir.
    Er setzte sich zwischen uns auf unser Bett.
    »Wie ich sehe, gibt Fofo euch ordentlich zu essen.«
    Er kniff meiner Schwester spielerisch in die Wangen. Ich hasste es, dass er recht hatte. Wir sahen zurzeit wirklich gut genährt aus. Unsere Gesichter waren voller geworden, unsere Wangen nicht mehr so hohl, die Rippen verschwunden und die Bäuche nicht mehr aufgebläht.
    »Ich hab gute Neuigkeiten für euch«, sagte Big Guy. »Nächste Woche geht's los.« Er rieb sich die Handflächen, als wolle er uns anbeten, und zeigte dann auf Fofo, der ihm nur einen bösen Blick

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