Sag, dass du eine von ihnen bist
zuwarf und rasch wieder fortsah. »Sind fast fertig, okay … und du, Mary, willst schnell, schnell los?«
»Heute noch!«, rief sie.
»Das will ich hören, kluges Mädchen!«, antwortete Big Guy und klatschte mit ihr ab. »Du weißt, was gut für dich ist.«
Fofo drehte sich um und funkelte uns wütend an; Yewa blickte zu mir herüber, Unsicherheit trübte mit einem Mal ihre Ausgelassenheit.
»Pascal? … Heute noch?«, fragte Big Guy.
Ich tat, als hätte ich ihn nicht gehört. Eine verlegene Stille breitete sich im Zimmer aus.
»Da siehst du's, die Kinder, dey bereit«, erklärte Big Guy hämisch. »Jetzt darfst du sie auch nicht enttäuschen, Fofo Kpee. Ist zu spät. Stimmt doch, was, Mary?«
»Ja.«
»Wer ist Fofo Davids Frau?«
»Tantine Cecile.«
»Haben sie Kinder?«
»Yves und Jules.«
»Eure Stadt in Gabun?«
»Port-Gentil.«
»Ausgezeichnet. Pascal, du dey so still heute. Mama mag's, wenn du so erwachsen wirkst. Und Tantine Cecile freut sich schon sehr, dich kennenzulernen … Sag was, abeg , Söhnchen … Antoinette und Paul dey lassen grüßen … Willst nicht wie deine Schwester schon heute reisen?«
Ich wollte kein Wort mit ihm reden. Sobald er meine Gabuner Geschwister erwähnte, wurde ich wütend und sah in Gedanken, wie er nackt vor ihnen tanzte. Das war meine intensivste Erinnerung aus unserer Vorbereitungszeit. Mir war so unwohl, als säße er nackt zwischen uns. Auch wenn ich nicht wusste, dass Fofo das Gabun-Geschäft mittlerweile ablehnte, genoss ich es insgeheim, wie er Big Guy die kalte Schulter zeigte. Und obwohl mir klar war, dass Big Guy uns bloß damit aufzog, heute noch verreisen zu können, brachte ich es nicht über mich, bei seinem Spiel mitzumachen. Ich betete, Fofo möge ihm einfach sagen, er solle sich seine Pläne sonst wohin stecken.
Die Augen beider Männer waren auf mich gerichtet. Fofo sah düster und gequält drein, Big Guys Gesicht zeigte ein erstarrtes Lächeln, das meine Antwort abzuwarten schien, um zu einem Lachen auftauen zu können. Ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte. Meine Kehle fühlte sich rau wie Schmirgelpapier an, und meine Lungen brannten, als bekäme ich keine Luft mehr. Das Zimmer schien zu schrumpfen, und meine Fin
ger krallten sich in die Matratze. Ich wollte lächeln, um meine wahren Gefühle zu verbergen, wusste aber nicht, ob meine Gesichtsmuskeln mir noch gehorchten.
»Ja, er will auch noch heute nach Gabun«, antwortete Yewa für mich.
Fofo musterte sie mit scharfem Blick. Big Guy lachte; ich atmete wieder, meine Stirn war feucht vor Schweiß.
»Dein fofo mag Gabun, oui? «, fragte Big Guy meine Schwester, als wollte er noch einen zusätzlichen Punkt machen, nachdem er das Blickduell bereits gewonnen hatte.
Sie nickte. »Ja.«
Big Guy kitzelte sie, bis sie gluckste, als hätte sie Wasser in der Kehle. Er erklärte, in Port-Gentil könnten wir schon bald mit der Schule anfangen. Die Schulen in Gabun seien so schön wie die in Frankreich und wir müssten gleich nach der Ankunft Unterrichtstoff nachholen. Zwar gab er sich alle Mühe, freundlich zu sein, steckte uns Süßigkeiten zu, strich über unsere Köpfe und tanzte für uns, doch wirkte sein Auftreten heute irgendwie unaufrichtig. Und obwohl er nicht die Uniform eines Einwanderungsbeamten trug, konnte er jene Steifheit nicht abschütteln, die ich zum ersten Mal an ihm bemerkt hatte, als er mit unseren Pateneltern gekommen war. Nach einer Weile fand selbst Yewa keinen Gefallen mehr an seiner übertriebenen Aufregung. Sie beantwortete seine Fragen, doch bloß noch einsilbig, fast als hätte sie einen Kompromiss geschlossen zwischen Fofos Unbehagen und Big Guys Drang, seine Verlegenheit mit Geschwätz zu übertönen.
Dann beschloss Big Guy, es mit einem großen Gelächter zu versuchen, und er lachte, als wäre die ganze Welt plötzlich lustig geworden. Yewa lächelte nur, gab aber sonst keinen Laut von sich. Big Guy krümmte sich dermaßen vor Lachen, dass er vom Bett auf den Boden rutschte; und er lachte, bis sein Lachen ganz unnatürlich klang. Er zog Grimassen und streckte die Zunge raus, um Yewas Aufmerksamkeit nicht zu verlieren.
Mir kam es vor, als lernte Big Guy, so närrisch wie Fofo zu sein, während Fofo lernte, ernst wie Big Guy zu sein. Es war schlechtes Theater, trotzdem saßen wir da wie gebannt. Dann stellte Big Guy den Ghettoblaster an, aber obwohl Lagbaja sein ›Konko Below‹ ins Zimmer schmetterte, blieb Fofo so reglos liegen wie eine gefallene
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