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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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ging, wieder zu Flip-Flops und
den zerschlissenen Jeans, die er vor der Nanfang gewöhnlich angehabt hatte.
    Das viele Zeug im Hinterzimmer war ihm nicht mehr wichtig. Er schien den Anblick sogar kaum noch ertragen zu können. Das Motorrad hatte er vollständig abgedeckt, so wie damals, als wir das Hinterzimmer verputzten. Selbst Yewa begriff, dass es besser war, nicht mit der Nanfang zu spielen oder sie auch nur zu erwähnen. In diesen faden, inhaltsleeren Tagen rechneten wir damit, dass er den restlichen Mörtel abschlagen würde, um mehr Luft ins Wohnzimmer zu lassen, aber das tat er nicht. Und obwohl er, wenn er in seinem Bett lag, ständig auf die Löcher starrte, schien es ihm an Willenskraft oder Interesse zu mangeln, um die Arbeit zu Ende zu bringen. Stattdessen verwandte er all seine Energie darauf, uns im Auge zu behalten und uns davor zu warnen, ohne seine Erlaubnis mit irgendwem mitzugehen oder zu reden.
    »Seid vorsichtig«, sagte er uns am zweiten Tag nach Big Guys Besuch, »böse Menschen dey machen schlimme Sachen mit anderer Leute Kinder!« Es war der längste Satz, den wir seit seiner Auseinandersetzung mit Big Guy von ihm gehört hatten, doch ich verkniff mir eine Antwort, da ich nicht wollte, dass er erfuhr, was ich dachte.
    Er kaufte eine Machete und legte sie unters Bett, wo er sie jederzeit rasch erreichen konnte. In der Hosentasche hatte er ein Messer, das er sogar mit zur Kirche nahm. Wenn wir draußen spielten, setzte er sich auf die Terrasse und beobachtete uns, starr wie eine Statue und ohne mit den Augen zu blinzeln. Oft schritt er das Grundstück ab und prüfte dies und das wie ein Sicherheitsbeamter. Gingen wir zum Außenabort, sahen wir ihn beim Herauskommen auf uns warten, als wäre er einer von den Kerlen in Ojota, die Toiletten vermieteten. Blieben wir zu lange, klopfte er an und fragte, ob wir in die Latrine gefallen seien. Wenn er aus dem Haus ging, schloss er uns ein.
    Da ich begriff, dass er bereit war, uns unter allen Umständen zu beschützen, gab ich meine Fluchtpläne auf. Ich wusste, er würde niemals zulassen, dass man uns weh tat. Wenn wir zur Messe gingen, nahm er uns an die Hand, und wenn man ihn fragte, was mit dem Motorrad sei, antwortete er, es sei krank. Mit der bescheidenen Demut unserer Vor-Nanfang-Tage betraten wir wieder das Gotteshaus. Und eines Sonntags gab Fofo Pastor Adeyemi etwas Geld, damit er ihn in seine Gebete einschloss. Als der Mann Einzelheiten über seine Schwierigkeiten wissen wollte, sagte Fofo nur, er habe da ein kleines Familienproblem.
     
    Als Yewa eines Nachmittags schlief, stand Fofo Kpee am Fenster und starrte hinaus. »Wir müssen fliehen, Kotchikpa«, flüsterte er.
    »Ja, Fofo!«, erwiderte ich, stand vom Bett auf und ging zu ihm. Da er mich mit meinem Geburtsnamen angesprochen hatte, wusste ich, dass es ihm ernst war. Von meiner Antwort schockiert, wandte sich Fofo abrupt vom Fenster ab, hockte sich auf den Tischrand und sah mich an. Ich platzte fast vor Aufregung.
    Er rang die Hände und suchte nach Worten wie ein reuiger Sünder: »Ich weiß, du hast gesagt, du willst unbedingt nach Gabun …«
    »Ich will nicht mehr hin, Fofo, ich will nicht mehr!«
    »Leise, leise«, ermahnte er mich, wedelte beschwichtigend mit beiden Armen und griff dann wie ein Bittsteller nach meinen Händen. Ein nervöses Lächeln huschte über sein trauriges Gesicht. »Wir wollen sie nicht aufwecken … Ich schaff's nicht, dich oder Yewa an irgendwen zu verkaufen wie Sklaven in diesen Sklavenhandelsgeschichten aus Badagry. Iro o , ich lass nicht zu, dass ihr mit dem Schiff übers Meer nach Gabun fahrt. Seid ihr nämlich erst da, mitten in Afrika; c'est fini . Nie wieder riecht ihr dann westafrikanischen Boden … Als Big
Guy hier war, da hab ich ihm gesagt, ich erlaub's nicht. Geld ist nicht alles – ich will euch nicht verlieren. Mais , er dey sehr wütend.«
    »Nur eine Frage …«
    »Ja?«
    »Wissen unsere Pateneltern, was Big Guy mit uns vorhat?«
    »Ja … complètement .«
    Er ließ meine Hände los und schaute verlegen beiseite. Seine Antwort traf mich wie ein Hieb, obwohl ich schon damit gerechnet hatte. Seit jenem Abend, an dem ich jegliches Interesse an Gabun verlor, hatte mein Ärger allein Fofo und Big Guy gegolten. Und obwohl die Puzzleteile sich langsam zu einem Bild zusammenfügten, hatte ich mich immer geweigert zu glauben, dass die Menschen, die so nett gewesen waren und uns ein so unvergessliches Buffet bereitet hatten, schlechte

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