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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Ich setzte mich mit dem Rücken an die Tür, zog die Knie an, um meinen Kopf drauf zu legen, schlang die Arme um die Schienbeine. Dann schloss ich die Augen, ballte die Hände zu Fäusten und presste den Mund auf die Knie, um nicht laut aufzuschreien. Ich versteifte die Zehen, wollte taub werden und hielt den Atem an, bis mir schwindlig wurde und ich aufgeben musste.
    Meine Gedanken überschlugen sich: War er im Krankenhaus gestorben, oder hatten sie ihn ermordet? Aber selbst wenn er im Krankenhaus gestorben war, dachte ich, hatten sie ihn ermordet, denn hätten sie ihn nicht zusammengeschlagen, wäre er noch am Leben. Ich fühlte mich betrogen, hatte ich ihnen doch versprochen, dass meine Schwester und ich auf jeden Fall nach Gabun fahren würden, um uns um Fofo zu kümmern.
Was sollte ich jetzt meinen Großeltern daheim erzählen? Was den fofos und Tanten in Braffe? Was meinen Eltern?
    Schuldgefühle überkamen mich. Ich fühlte mich für seinen Tod verantwortlich, auch wenn ich nicht wusste, wie ich ihn hätte verhindern können. Vielleicht hätte ich mich an Fofos Stelle zusammenschlagen lassen sollen. Ich hasste mich, fand mich ebenso abscheulich wie Big Guy, unsere Pateneltern und unseren Sportlehrer und spürte, dass sie es waren, die mir beigebracht hatten, böse zu sein. Von ihnen hatte ich gelernt, gleichzeitig zu lächeln und wütend zu sein. Das bisschen Theater, das ich der Wache vorgespielt hatte, lag mir nun schwer auf der Seele, und ich war mir sicher, dass mein Onkel noch leben würde, wenn ich ihn an jenem Abend nicht zur Flucht ermutigt hätte.
    Heiß und schnell liefen mir Tränen übers Gesicht. Ich zitterte so sehr, dass ich mich von der Tür fortschleppte, da ich Angst hatte, jemand könnte die Vibrationen bemerken. Mein Herz schien selbst die dumpfen Geräusche der Spaten draußen zu übertönen, und nach einer Weile hörte ich auch die nicht mehr.
    Meine Wut wuchs, bis ich daran zu ersticken drohte. Ich griff nach dem Geschirrkorb und umklammerte das Rohrgeflecht so fest, dass eine der Weidenruten brach und Yewa sich im Schlaf umdrehte. Schon weil Big Guy versucht hatte, Fofo irgendwo an der Straße zu verscharren, wollte ich ihm den Hals brechen, so wie ich diese Weidenrute zerbrochen hatte.
    Ich nahm ein Messer aus dem Korb und steckte es ein für den Fall, dass ich mich verteidigen musste. So schlimm die Schaufelei auch war, wollte ich doch, dass sie niemals aufhörte, damit Fofos Begräbnis möglichst lang hinausgezögert wurde. Jedes Mal, wenn die Arbeiter eine Pause einlegten, um Atem zu schöpfen, überkam mich blinde Panik, und ich ballte die Hände zu Fäusten.
     
    » Ça suffit «, sagte Big Guy. »Das ist genug für den Ganoven.« 
    Irgendwas in seiner Stimme, ich glaube, es war diese eisige Gleichgültigkeit, machte mir Mut, und ich wusste, ich musste mich Big Guy stellen. Rasch wischte ich die Tränen fort und zwang mich, nicht mehr zu weinen. Dann versuchte ich aufzustehen, war aber noch zu schwach, also kniete ich mich hin und legte ein Ohr an die Tür.
    »Schluss jetzt«, sagte Big Guy. »Kommt raus! Ich hab euch 'ne Nanfang versprochen. Wetin wollt ihr noch, he? Eine neue Nanfang!«
    »Danke, Sir«, sagten sie und kletterten aus dem Grab. Ich hörte, wie sie sich rasch in Richtung Hauseingang entfernten. Bei ihrer Rückkehr gingen sie langsamer, schleppender, wohl wegen Fofos Gewicht. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie ihn trugen, was mir aber nicht gelang. Als sein Körper mit dumpfem Aufprall ins Grab fiel, presste ich mich an die Tür – und entschied im selben Augenblick, dass ich eher sterben als nach Gabun fahren würde. Mir wäre es lieber, von Big Guy getötet als über Fofos Leiche verkauft zu werden. Bevor sie mich auf ihr Schiff zerren konnten, wollte ich ertrinken.
    Als sie das Grab zuschütteten, hörte ich, wie meine Schwester wach wurde. Schnell ging ich zu ihr, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu und flüsterte, wir müssten noch etwas schlafen, es sei noch zu früh, und legte mich zu ihr ins Bett. Das Messer schob ich auf Kissenhöhe unter die Matratze. Dann lag ich da und überlegte, wie wir Big Guy und seinen Leuten entkommen konnten, bis am Morgen schließlich der Wachposten hereinkam.
    Nachdem er den Toiletteneimer geleert hatte, legte er seine große Taschenlampe ab und gab uns zu essen und einen Krug Salzwasser. Meine Schwester aß mit großem Appetit.
    »Wie geht's euch heute, mes enfants ?«,

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