Sag, dass du eine von ihnen bist
überlassen wollten, hatten sich ihnen wieder angeschlossen. Sie warfen Steine nach ihm, aber er blieb nicht stehen und fiel auch nicht hin. Er hörte Schüsse, aber er lief weiter. Er rannte an den Teichen vorbei und den Hügel hinauf in die Savanne. Der Mob fächerte sich auf und fiel über die Kohlgärten her. Jubril rannte wie ein Hund; er rannte, bis ihm schwarz vor Augen wurde. Er erinnerte sich an den Sturz, erinnerte sich an den Schwindel, der ihn überkam …
Im Luxusbus streifte jemand seinen in der Tasche vergrabenen Handstumpf, was Jubril schlagartig zu der Notwendigkeit zurückbrachte, seine Tarnung aufrechterhalten zu müssen. Instinktiv vergrub er den Stumpf noch tiefer und verfluchte sich dafür, so lange seiner Flucht nachgehangen zu haben. Er flehte Allah um Kraft an.
Als Jubril nach vorn sah, fiel ihm auf, dass zwei Polizeibeamte den Bus bestiegen hatten und sich über den Kranken beugten. Sie waren in Zivil. Wie Soldaten, die einen verwundeten Kameraden von der Front holten, hielten sie die Gewehre griffbereit, taten aber, als wäre der Kranke schon tot, obwohl er noch vor sich hin brabbelte. Trotz der Bitten von Emeka, Madame
Aniema und Tega bestand die Polizei darauf, dass es besser für den Kranken sei, den Bus zu verlassen, um Platz zu machen. Sie hoben ihn auf, durchsuchten ihn und nahmen ihm den Fahrschein ab. Als die übrigen Passagiere murrten, versicherten ihnen die Beamten, man würde ihn in den nächsten Luxusbus setzen. Das Murren aber wurde zu Jubelgeschrei, als die Polizei ihn nach draußen schleppte und auf die Veranda legte.
Immer mehr Passagiere drängten in den Bus, und Jubril, der in Gedanken noch beim Kranken war, musste ständig weiter nach hinten rücken. Er entfernte sich vom Platz des Häuptlings und ließ sich auf dem Gang von einer Stelle zur anderen schieben, was immer auffälliger wurde, da die Flüchtlinge anfingen, sich auf den Boden zu setzen. Wenn Jubril zum Häuptling sah, funkelte der ihn entweder wütend an oder wandte den Blick ab, als wäre es Jubril, der ihm seinen Platz nehmen wollte.
»Sitzt wohl einer auf deinem Platz, wie?«, sagte Emeka, dem es immer noch leidtat, dass man den Kranken geholt hatte, als Jubril sich an seinen Sitz lehnte.
»Yessa.«
»Tja, dann sag ihm, dass er aufstehen soll«, sagte Emeka. »Wir leben schließlich in einer Demokratie, junger Mann!«
»Ähm … yessa «, sagte Jubril und hielt sich dabei die Linke vor den Mund.
» Yessa ke ? Und lass meinen Sitz in Ruhe. Jedem eine Stimme … Jedem einen Platz!«
»Nicht den Jungen schikanieren, also echt«, sagte Ijeoma. »Wollen Sie Ärger? Rufen Sie doch die Polizei. Dieser Junge wird jedenfalls nich wie der Kranke ausm Bus geschleppt.«
»He, sagen Sie mir nicht, was ich tun soll«, erwiderte Emeka, der den Affenfellmantel auf seinem Schoß immer wieder neu zusammenlegte. »Ist Ihr Mann Soldat?«
»Selbst keine Frau daheim?«, gab Ijeoma zurück.
»Haben wir nicht schon Ärger genug?«, fragte Madame Aniema.
»Das ist eine Demokratie«, sagte Emeka. »Ich hab das Recht, laut zu werden, wann immer mir danach ist, okay? … Lassen Sie mich was sagen, Ihnen, euch Frauen. Dies hier ist kein Militärregime mehr, wo die Menschen nicht haben können, was sie haben wollen, und nicht sagen können, was sie fühlen. Es ist acht Monate her, seit die Generäle mit Ölbohrlizenzen bestochen wurden, damit sie ihre Macht friedlich an uns Zivilisten abgeben. Wissen Sie noch, damals durfte man keinem Soldaten den Gehorsam verweigern. Und vergessen Sie nicht, dass ein Soldat sogar hier, in der Stadt Lupa, an einem illegalen Checkpoint einen Busfahrer und einen Schaffner erschossen hat, nur weil sie sich geweigert haben, ihm zwanzig Naira zu zahlen …«
»Na und?«, unterbrach ihn Ijeoma und kratzte sich den Afro, die großen Augen zu engen Schlitzen zusammengekniffen. »Sind wir etwa besser als die Soldaten, oder was? Sie reden geradeso, als wären Sie der einzig clevere Mensch hier im Bus. Und was soll überhaupt das Gerede von wegen ›Ihnen, euch Frauen‹?«
»Ja, Mr Man, beleidigen Sie uns lieber nicht in diesem Luxusbus«, sagte Tega. »Oder sind wir Frauen vielleicht schuld an diesem wahala in Khamfi?«
»Gib nichts auf den, Schwester«, sagte Ijeoma. »Der redet doch wie ein Vielweiberkerl!«
Emeka blickte von einer Frau zur anderen und schien erstaunt, dass die beiden jetzt auf derselben Seite standen. Noch während er überlegte, was er antworten sollte, begann er, mit
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