Sag, dass du eine von ihnen bist
weg«, sagte Musa.
»Muss erst die Kühe in den Stall bringen, dann komm ich.«
»Du kommst also nicht protestieren«, sagte nun auch Lukman und funkelte Jubril wütend an, als der versuchte, ihm auf die Schulter zu klopfen. Jubril erstarrte. »Bist kein guter Muslim …«, fuhr Lukman fort.
»Ich?«
»Ja«, sagte Musa.
Jubril lachte kurz auf. » Haba! «
»Deine Mama hat schon früher nicht gewollt, dass du mit uns zu den almajeris kommst …«, sagte Musa und sah Lukman an, als fordere er ihn auf, die Beleidigung zu vervollständigen.
»Ihr zwei habt echt 'nen Knall!«, spottete Jubril.
»Wegen ihr durftest du keine Christen killen«, sagte Lukman.
»So ist meine Mama eben«, argumentierte Jubril. »Ich hab doch gesagt, ich komm. Ich komm sofort. O Mann, macht
keinen Stress. Lasst mich die Viecher noch in den Stall bringen.«
Jubril wich zur Herde zurück, aber die beiden folgten ihm aufgebracht. Lukman stellte das Glas hin, und Musa rückte sein Schwert zurecht. Die winzigen Zierglöckchen an der braunen Scheide bimmelten. Jubril verging das Lachen, Ärger lag in der Luft. Seine Freunde hörten auf zu grinsen; in ihren Augen blitzte der Hass. So hatte er sie noch nie erlebt.
Als ihm die beiden Leute einfielen, die nahe der Tümpel an ihm vorbeigelaufen waren, sprang Jubril auf und riss ein paar Zweige von einem nahen Palasabaum, um seine Solidarität mit der Sache seiner Freunde zu zeigen, wofür auch immer sie eintraten. Allerdings erschreckte er die beiden damit nur, da sie dachten, er wolle fliehen. Sie hielten ihn an seiner babariga fest.
»Okay, jetzt gehör ich zu euch«, sagte Jubril, wedelte mit den Zweigen und ließ seinen Stock fallen.
»Zu wem?«, fragte Musa.
»Hier geht's nicht um ein paar Blätter, Mensch!«, sagte Lukman.
»Was soll das? Wetin hab ich denn gemacht?«, wollte Jubril wissen.
» Wetin du gemacht hast, he?«, fragte Lukman.
»Ja … warum macht ihr so ein Stress?«
»Okay, wir zahlen dir das Geld nicht, was wir dir schulden«, sagte Musa.
»Was für Geld? Wenn ihr die tausend Naira meint, die ich euch geliehen hab, dann seid ihr aber schief gewickelt. Die müsst ihr zahlen. Ha, da gibt's kein Wort mehr zu reden.«
»Wir zahlen gar nix – oder …«
»Klar zahlt ihr. Sonst meld ich euch dem alkali . Und dann geht's ab vors Scharia-Gericht!«
Mit diesen Worten warf sich Jubril plötzlich herum und befreite sich aus ihrem Griff.
»Dann sagen wir denen, dass du ein falscher Muslim bist!«, sagte Lukman. »Ein Christ bist du …«
»Ich? Christ?«
»Verräter! Verräter!«, riefen sie.
»So 'n Quatsch!«, sagte Jubril, »damit könnt ihr mich nicht erpressen.«
»Denk an Yusuf, diesen Ungläubigen!«, sagte Musa.
»Verräter! Verräter!«, wiederholte Lukman.
Zwei Männer blieben stehen und wollten wissen, was hier vor sich ging.
Jubril glaubte immer noch, dass sie ihn vielleicht nur auf den Arm nahmen, da er meinte, oft genug bewiesen zu haben, dass er ein überzeugter Muslim war. Er dachte an die wilden Feste, die sie vor einigen Monaten im Norden gefeiert hatten, als der Manzikan-Gouverneur die totale Scharia mit dem Argument verkündete, Recht und Gesetz des Staates seien bislang in der Bibel und dem christlichen Glauben verankert gewesen. Er sagte, die Muslime seien schon immer von den Christen getäuscht worden, nun aber sei es an der Zeit für ein Rechtssystem, das auf dem Koran und dem Islam fuße. Er behauptete, mit der Scharia würde der Staat von jeglicher Unmoral und all den Lastern befreit, unter denen das Volk so zu leiden gehabt habe.
Jubril hatte sich der riesigen Menge angeschlossen, hatte Slogans gerufen und ein Bild ihres Helden hochgehalten, ein Bild des Gouverneurs von Manzikan. Drei Tage lang war Jubril losgezogen, um dafür zu demonstrieren, dass das Sharia-System in Khamfi eingeführt wurde, obwohl er wie fast jeder in der Menge wusste, dass in Khamfi ebenso viele Christen wie Muslime lebten.
Allerdings muss man sagen, dass es für Jubril keine harmlosen Feierlichkeiten gewesen waren – und auch keine politische Kundgebung, wie die Presse im Süden angedeutet hatte. Eigentlich fand die Pro-Sharia-Bewegung einen so großen Zulauf, weil Leute wie er bereit waren, persönlich mit ihren ver
stümmelten Gliedmaßen dafür einzutreten. Ihre Anwesenheit hatte der Kundgebung die nötige Energie verliehen. Als die Regierung Manzikan den alleinstehenden Frauen in ihrem Dienst ein Ultimatum stellte und sie aufforderte, innerhalb von drei
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