Sag, dass du eine von ihnen bist
dem Finger zu drohen, doch Madame Aniema riet ihm: »Sagen Sie jetzt lieber gar nichts. Wenn damit Frieden herrscht, soll Frieden sein. So sind Frauen nun mal.«
»Wie gesagt, was auch passiert, in einer Demokratie kann man die Hoffnung nicht verlieren!«, sagte Emeka in freundlicherem Ton, scheinbar ohne die beiden Frauen weiter zu beachten, doch so laut, dass seine Worte trotz der allgemeinen
Unruhe deutlich zu hören waren. »Gebt die Hoffnung nicht auf! Gebt die Hoffnung nicht auf!«
»Wer sagt denn, dass wir die Hoffnung aufgeben?«, stichelte Tega. »Nur Menschen, die auf Socken aus Khamfi fliehen, geben die Hoffnung auf … wir doch nicht!«
»Kümmern wir uns nicht um den yeye -Mann«, sagte Ijeoma. »Wir sagen nur, lassen Sie den Jungen in Ruhe, machen Sie uns Frauen nicht immer Vorwürfe. Sind Sie etwa nicht von einer Frau geboren?«
Jubril sah von Ijeoma zu Tega mit einer Miene, mit der er sie anflehte, nicht länger mit Emeka zu streiten. Er war froh, dass sich ihr Gespräch nicht mehr um ihn drehte, fürchtete aber, das könnte sich wieder ändern. Warum durfte er die Frauen nicht bitten, einfach den Mund zu halten? Warum sahen sie nicht selbst ein, wie unschicklich es war, sich mit Männern in der Öffentlichkeit zu streiten?
Da Jubril spürte, dass im hinteren Teil des Busses deutlich mehr Menschen standen, schob er sich dorthin, um unsichtbarer zu werden, doch hatte er erst wenige Augenblicke an seinem neuen Platz ausgeharrt, als ihn jemand fragte, ob er vor der Toilette anstünde. Er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. Da aber die vor ihm und hinter ihm Wartenden sagten, es mache ihnen nichts aus, dass Jubril sich vorgedrängt hatte, nickte er und lächelte verlegen. Dann reckte er den Kopf und sah, dass sich die Reihe der Wartenden den Gang entlang zwischen den auf dem Boden sitzenden Passagieren hindurchschlängelte. Sie schien der einzig fixe Bezugspunkt in diesem von Bewegung und Unruhe bestimmten Raum zu sein. Die Schlange endete direkt vor der Toilettentür, wo der Nächste wartete, mit der Brust gegen die Tür gepresst. Jubril hatte noch nie zuvor eine Toilette benutzt und spürte auch jetzt keinen Drang dazu, blieb aber trotzdem in der Schlange. Ihm gefiel es hier, denn er merkte, dass die Leute, die einen Platz im Gang gekauft hatten, gegenüber den Wartenden tolerant und
rücksichtsvoll waren. Er wünschte sich, dass die Reihe endlos wäre und die Leute sich mehr Zeit auf der Toilette ließen.
Als er aufblickte, um nach dem Häuptling zu sehen, fiel ihm auf, dass er nur drei Reihen entfernt saß und immer noch seine Cabin Biscuits mampfte, die Wangen aufgebläht wie die eines Hausa-Fulani-Trompeters.
Während Jubril in stillem Ärger immer mal wieder zum Häuptling sah, wurden plötzlich die Fernsehgeräte eingeschaltet. Die Bilder trafen ihn wie Blitze und zwangen ihn, den Kopf abzuwenden. Er schloss die Augen, doch hatte er die ersten Bilder bereits gesehen, und wie heißt es doch? Was das Auge gesehen hat, kann es nicht ungesehen machen. Er fühlte sich verletzt. Er konnte die Bilder nicht auf Anhieb verkraften.
Das Getöse der Fernsehgeräte übertönte den Lärm im Bus, der allmählich verebbte, da alle ihre Aufmerksamkeit auf die Bildschirme richteten. Selbst die Wartenden in der Toilettenschlange wollten nichts verpassen und schauten sich um – nur Jubril nicht, der die Augen wieder geöffnet hatte und sich fragte, wie er dieses neue Problem bewältigen sollte. Er wäre nichts lieber als ein Teil der Menge, und es ging auch nicht länger nur darum, ob Allah ihn bestrafte, weil er fernsah. Von seiner konservativen Einstellung bekam er einfach einen steifen Hals; außerdem drehte er dem Bildschirm den Rücken zu. Jubril wollte sich entspannen, nicht länger so wachsam sein müssen, doch wohin er auch schaute, blickte er in Gesichter. Es war, als befände er sich im Gegenverkehr. Er wollte zur Decke aufsehen, aber selbst das gelang ihm nicht. Da er fürchtete, seine Not stünde ihm ins Gesicht geschrieben und könne Aufmerksamkeit erregen, starrte Jubril auf seine Segeltuchschuhe. Er blickte so angestrengt hin, dass er jeden winzigen Faden erkennen konnte, obwohl er eigentlich überhaupt nichts sah. Furcht stieg in ihm auf und überlief ihn wie eine Gänsehaut. Die Finger der linken Hand wurden schweißnass und zitterten. Der
Handgelenkstumpf war taub, und er versuchte, den Arm in eine angenehmere Lage zu bringen.
Als er versuchte, sich zum Fernseher umzudrehen,
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