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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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gelang ihm dies nur halbwegs wie ein Rad, das plötzlich blockierte, doch konnte er nun immerhin aus dem Fenster schauen, eine willkommene Abwechslung. Er ließ den Blick nach draußen wandern.
    Die Sonne war untergegangen. Die Menge vor dem Bus wirkte nicht mehr so ruhelos wie zuvor. Flüchtlinge drängten sich auf die wenigen Veranden, andere hockten, wo immer sich auf dem Bahnhof Platz fand, drückten ihre Habe an sich und hofften auf weitere Busse. Alle sahen müde aus, selbst die wenigen Gespräche klangen bedrückt.
    Wie in einem Traum schienen draußen auf der Savanne plötzlich einige der immergrünen Bäume anzuschwellen, als sie sanfte Wolken von Fledermäusen ins Dämmerlicht entsandten. Hoch am Himmel sammelten sich die Tiere, flogen kreuz und quer und dann, wie vom Wind verweht, in einer Richtung davon, hinüber zum Park. Der Schwarm glich einer riesigen, konturlosen Gestalt mit vielen Beinen auf immergrünen Bäumen. Bald füllten sie die Luft. Nach einer Weile formten sie sich zu einer großen, schwarzen Wolke, die sich in die Länge zog, auf und ab schwebte und kreischend durch die Dämmerung flog.
    Jemand tappte Jubril ans Bein. Er schaute nach unten, wandte aber rasch den Blick wieder ab. Auf dem Boden saß eine Schwangere, die ihrem Kind die Brust gab. Sie hieß Monica. Sie hatte auf der Flucht nur ihr Baby retten können. Die großen Augen waren rot vom Weinen, und Schlaflosigkeit hatte ihr Gesicht anschwellen lassen. Zärtlich drückte sie ihr Kind an sich. Sie trug ein langes, weißes Gewand, das ihr auf der Flucht irgendwann jemand gegeben hatte. Es war zwei Nummern zu groß, schien ihr dadurch aber jenen zusätzlichen Stoff zu geben, den sie brauchte, um damit ihr Kleines bedecken zu können.
    » Haba , Bruder, zu erschöpft zum Fernsehen?«, spottete Monica, und ein nervöses Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Ich?«, brummelte Jubril wie der Häuptling und tat, als sehe er den Fledermäusen draußen zu.
    »Bist ja wohl nicht der Einzige, der unter den Unruhen zu leiden hat. Jetzt sag mir bloß nicht, deine Lage wäre schlimmer als die vom Kranken, wegen dem die Polizei im Bus war?«
    Jubril nickte. »Ja.«
    Er hatte sich zwar damit abgefunden, auf dieser Reise in Gesellschaft von Frauen zu sein, doch machte ihm der Anblick einer stillenden Frau zu schaffen. Ihm passte nicht, dass sie ihn anlächelte und auch noch mit ihm redete. Er konnte nicht zu ihr nach unten schauen, weil er dann ihre Brust gesehen hätte, und er wollte nicht mit ihr reden, wollte ihr Lächeln nicht erwidern oder sonst irgendwas tun, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Trotzdem bemühte er sich, sanft auf sie zu reagieren. Mit dieser Frau muss man behutsamer umgehen als mit dem Fernseher, dachte er, denn sie hatte sich an ihn gewandt und verlangte eine Antwort.
    Er wollte von ihr abrücken, nur wohin? Suchend sah er sich nach Madame Aniema um, achtete dabei aber darauf, dass sein Blick nicht auf den Bildschirm fiel. Er hielt sich die Linke wie ein Visier an die Augen, um sich vor den TV -Bildern zu schützen. Der Anblick von Madame Aniemas weißem Haar und der Erinnerung an ihre Freundlichkeit besänftigte das Unbehagen, das Monica, Tega und Ijeoma in ihm ausgelöst hatten.
    »Ach, ach, was ist das denn jetzt für 'n shakara «, fuhr Monica fort und stupste ihn erneut ans Bein. »Du tust ja grade so, als würde dich die Sonne im Bus blenden. Bist wohl zu stolz, wie? Abi , hast wohl Kummer? Bist aber bestimmt nicht schlimmer dran als ich. Mir haben sie das Haus abgebrannt, und mein Mann und meine zwei Kinder, die hab ich nicht mehr gesehen. Hab nur noch das Baby. Aber die Hoffnung, die geb ich nicht
auf. Warum soll ich denn nicht lächeln? Warum nicht fernsehen? Guck dich an: Ich red mit dir, aber du kannst mir nicht mal ins Gesicht schauen? Willst du wirklich aufs Klo?«
    »Nein«, antwortete Jubril verlegen; das Wort kam ihm über die Lippen, ehe er es zurückhalten konnte.
    Monica kicherte, froh, ihm endlich eine Reaktion entlockt zu haben. »Schon klar, vielleicht kriegst ja die Ruhr, hm?«
    »Mmmm«, seufzte Jubril.
    » Na wa für dich o !«
    Die Passagiere schienen froh, fernsehen zu können; Ordnung und eine gewisse Friedfertigkeit breiteten sich aus: Fast alle Fahrgäste schauten in dieselbe Richtung, das erste Zeichen von Einigkeit, seit Jubril an Bord gekommen war. Jetzt hörte er, wie Emeka einigen Leuten in scharfem Ton zuflüsterte, sie sollten sich bücken oder beiseiterücken, damit er ungehindert

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