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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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fernsehen könne.
    »Keine Sorge, die Kloschlange kommt nur langsam wie 'ne Schnecke voran«, wisperte Monica Jubril zu. »Wenigstens hast du jetzt Fernsehen zur Unterhaltung. Bist zu ernst für die Reise hier … Guck, sogar mein Baby nuckelt und glotzt … Lächle doch mal!«
    »Mmmm.«
    »Kümmer dich nicht um diesen shakara -Typen!«, flüsterte Tega zu Monica. »Vergiss ihn. Siehst du nicht, wie vornehm der tut, mit einer Hand in der Tasche?«
    Als Jubril hörte, wie sie seine Hand erwähnte, drehte er sich um und wandte sich, wie alle anderen auch, den Fernsehgeräten zu – wenn auch mit geschlossenen Augen. Der in der Tasche vergrabene Handstumpf blieb auf diese Weise den Blicken der Frauen verborgen, und Jubril tat einfach, als hätte er Monicas Kommentar nicht gehört. Dann kniff er die Augen so fest zusammen, dass sich sein Gesicht in Falten legte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sich für dieses Vorgehen entschieden, ein guter Kompromiss, wie er fand. Jetzt würde ihn nie
mand mehr behelligen, weil er in die falsche Richtung blickte, und er fühlte sich nicht mehr ganz so fremd, fühlte sich stärker mit seiner Umgebung verbunden. Die Tatsache, dass die Frau ihn nicht mehr nervte, war dafür Beweis genug.
    »Jetzt benimmst du dich wenigstens wie 'n Mensch«, sagte Monica nach einer Weile, da sie glaubte, er sähe fern. Sie legte das Baby von der einen an die andere Brust.
    »Hört doch auf, miteinander zu flüstern!«, rief Emeka.
    »Wer hat denn dich zum Klassensprecher für diesen Bus gemacht?«, zischte Ijeoma, als hätte sie nur auf diese Gelegenheit gewartet. »Kriegst daheim kein Fernsehen, yeye -Mann? Bist hier der Fahrer? Abi , der Schaffner? Abi , willst wieder uns Frauen Vorwürfe machen?«
    Hätte Jubril die Augen aufgemacht, hätte er am Bildschirm wunderschöne ausländische Bilder gesehen. Die Spots, die man zeigte, stammten vermutlich von einer der riesigen, multinationalen Fernsehgesellschaften, doch da die lokalen oder nationalen Sender das Logo gelöscht hatten – weshalb es sich also eigentlich um Raubbilder handelte –, ließ sich das nicht mit Gewissheit sagen.
    Jubril hörte die Mitreisenden lachen und Bemerkungen über das laufende Programm machen. Da man Emeka den Mund verboten hatte, waren die Leute ungehemmt. Sie summten die Jingles mit und fühlten sich daheim im globalen Dorf von Werbung und Sport, Mode und Nachrichten. Die Bilder spülten ihre Trauer, Anspannung und Sorgen fort, spülten zumindest darüber hinweg; sie wirkten wie eine Brise frischer Luft. Jubril konnte sie zwar nicht sehen, spürte um sich herum aber die gute Laune wie Pilze im Dunkeln wachsen; und er wusste, die Leute ließen sich unterhalten, ganz wie es Monica gesagt hatte. Er zwang sich ein Lächeln ins Gesicht, die Augen ließ er aber geschlossen. Je entspannter er sich fühlte, desto größer wurde die Versuchung, einen Blick zu riskieren. Er gab ihr nicht nach. Er presste die Augen so fest zusammen, dass ihm bei
nahe schwindlig wurde, dann fühlte er einen dumpfen, drückenden Schmerz. Wie ein Blinder versuchte er, die Lage um sich herum mit dem Gehör zu erfassen. Monicas Stimme klang am deutlichsten, lästig und unangenehm nah.
    Er dankte Allah für die Pause, die ihm die geschlossenen Augen gönnten. So hatte er eine Möglichkeit gefunden, den Kontakt mit Monica zu vermeiden, und meinte nun, grenzenlos alles erdulden zu können. Andere mochten ihren Frieden in äußerlichen Dingen finden, er selbst entdeckte ihn tief in seinem Innern: der Triumph, in einer fremden Welt einen Weg zu finden, der es ihm erlaubte, seine Tradition und seine Einzigartigkeit zu behaupten. Wenn er jetzt noch den Häuptling dazu bringen konnte, den Sitzplatz aufzugeben, dachte Jubril, dann würde er seine Stirn an die Kopfstütze lehnen und so tun, als schliefe er, bis sich der Bus in Bewegung setzte, bis er im Dorf seines Vaters ankam.
    Schlagartig wurde es ruhig im Bus, eine tiefe Stille, wie sie nur ein Schock auslösen konnte; das spürte Jubril sofort. Dann lasen vier, fünf Leute laut das Schriftband vor, das über die Bildschirme flackerte:
     
    Neueste Meldung: Religionskämpfe in Khamfi
     
    Wieder wurden die Reisenden unruhig, und ihr Lärm übertönte die Fernsehgeräte, da alle gleichzeitig zu reden begannen. Einige behaupteten, die Toten zu kennen, die sie auf dem Bildschirm gesehen hatten, und riefen laut ihre Namen. Andere sagten, dies da könne doch nicht ihr Khamfi sein – diese multiethnische,

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