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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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den Fahrer, weil der die Abfahrt so lang hinauszögerte.
    »Das wäre gegen unser nationales Interesse … gegen die nationale Sicherheit!«, sagte einer der beiden Polizisten, der sich zurück in den Bus drängte. Er hatte seine Pistole gezückt und fuchtelte damit herum. Die Leute drängten zurück auf ihre Sitze, manch einer kletterte über andere hinweg, um dem Polizisten aus dem Weg zu gehen. Als er mitten im Bus stand, tauchte auch sein Kollege auf und gab ihm mit seiner AK -47 von hinten Deckung.
    » Na, ist unser Öl!«, sagte Monica zum ersten Beamten.
    »Wer hat das gesagt?«, fragte der Beamte.
    » Na , ich«, sagte sie.
    Furchtlos drängte sie mit dem Kleinen nach vorn, obwohl andere Passagiere noch vor dem Polizisten zurückwichen. Sie stieß Jubril beiseite und reichte irgendwem ihr Baby. Mit beiden Händen raffte sie das lange Gewand auf, als wollte sie durch einen knietiefen Fluss waten. »Ich sag, na unser Öl«, wiederholte sie. »Haben jetzt 'ne Demokratie, kapiert?«
    Alle Blicke hatten sich von den Bildschirmen abgewandt und folgten nun der Auseinandersetzung zwischen Monica und der Polizei. Manche flehten sie an, sich doch wieder zu beruhigen. Jubril fand, dass es nicht nur der falsche Zeitpunkt war, sich mit der Polizei anzulegen; ihm gefiel auch die Tatsache nicht, dass es eine Frau war, die sich gegen das Gesetz erhob. Vielleicht hätte es ihm weniger ausgemacht, wenn nur Frauen im Bus gesessen hätten und der Beamte ebenfalls eine Frau gewesen wäre. Monica stand direkt vor Jubril, nur ihr Körper
war zwischen ihm und der Waffe. Er versuchte, sich tiefer zurück in die Menge zu drängen, aber niemand wollte ihm Platz machen. Also blieb er stehen, starrte mit vagem Blick auf Monicas Waden und Füße, hielt den Atem an und betete, dass die Polizei nicht das Feuer eröffnete.
    »Wer ist diese Frau?«, fragte der Polizist.
    »Tochter des Öls«, sagte Monica. »Und Sie?«
    »Das fragst du mich?«, erwiderte der Beamte.
    »Ja.«
    »Ich warne dich, dumme Frau. Hast in diesem Scharia- wahala wohl den Verstand verloren, wie?«
    »Haben Sie überhaupt 'nen Ausweis?«, fragte die Frau. »Oder haben die Sie geschickt, um uns umzubringen?«
    »Ausweis? Warum sollte ich dir meinen Ausweis zeigen?«
    »Komm, Frau, jetzt benimm dich«, rief der zweite Beamte von der Tür herüber. »Sonst machst Bekanntschaft mit meiner Knarre.«
    » Oya  … nur weiter so«, sagte Monica. »Wollt ihr mich umbringen, müsst ihr auch mein Baby töten, okay? … Wetin soll es allein auf dieser Welt?«
    »Führen ja nur 'nen Befehl von der Regierung aus!«, gab der Polizist zurück. »Befehl von der Regierung!«
    »Ist doch keine Militärregierung hier«, sagte Monica. »Ist jetzt 'ne Demokratie.«
    »Halt's Maul … Regierung ist Regierung! Regierungsöl. Öl der Bundesregierung, klar?«
    Der Beamte an der Tür wich zurück nach draußen und feuerte Warnschüsse in den Nachthimmel. Im Bus war das Geräusch flüchtender, davonhuschender Leute zu hören.
    Drinnen verstummten alle, selbst Monica. Sie stand da, als erwarte sie, von den Kugeln getroffen zu werden. Die Polizei bat den Mann, der das Baby hielt, es der Mutter zurückzugeben. Der Mann begann zu zittern, als hätte sich das Kind plötzlich in eine Schlange verwandelt. Widerstrebend nahm
ihm Monica den Kleinen ab, nicht weil sie dem Befehl des Beamten gehorchte, sondern weil sie fürchtete, aus Angst vor der Polizei könne der Mann das Kind fallen lassen. Wie ein Zombie hockte sie sich erneut auf den Boden. Als die Polizei ging, begann sie zu weinen und hielt nur manchmal inne, um von ihrem toten Mann und den toten Kindern zu brabbeln.
     
    Sobald sich die meisten Passagiere im Gang wieder hinsetzten, zeichnete sich auch die Warteschlange wieder ab. Ein paar Reisende stellten sich zusätzlich an und drängten Jubril einige Reihen weiter nach vorn. Er stand nun wieder neben dem Häuptling – der so still dasaß, als hätte der gerade verebbte Tumult auf einem anderen Planeten stattgefunden – und starrte auf die Rückseite eines der Fernsehgeräte. Jetzt brauchte er die Augen nicht mehr zu schließen. Alle Passagiere, sowohl die hinten im Bus wie jene, die nur wenige Reihen entfernt saßen, schauten in seine Richtung, ihr Blick wenige Zentimeter über seinen Kopf gerichtet. Er betrachtete sie, sah das Spiel der bunten TV -Lichter, eine künstliche Schönheit, die über ihre bedrückten, kummerbefleckten Gesichter tanzte. Er musterte sie aufmerksam, suchte mit

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