Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Bilder sind von minderwertiger Qualität, wahrscheinlich mit einem Handy aufgenommen, doch die Person darauf ist sofort zu erkennen. Natasha McBain trägt ein kurzes Sommerkleid und scheint zu tanzen. Sie dreht sich, sodass sich ihr Kleid an den Hüften hebt.
Ihr Publikum ist eine Gruppe von Männern, deren Gesichter man nicht erkennen kann. Sie sitzen auf Bänken oder stehen um sie herum und sehen ihr beim Tanzen zu.
Dies sind die letzten Bilder des Teenagers Natasha McBain, die vor drei Jahren auf tragische Weise zusammen mit ihrer besten Freundin Piper Hadley verschwand. Die Fotos wurden nur Stunden vor Natashas Verschwinden auf einer Kirmes in Bingham, Oxfordshire, am 30. August 2008 aufgenommen.
Natashas Leiche wurde in der vergangenen Woche in einem zugefrorenen See weniger als einen Kilometer von ihrem Zuhause entfernt gefunden.
»Ich will die Originale«, befiehlt Drury. »Ich will wissen, wer diese Bilder gemacht hat.«
Eine Viertelstunde später wird ein Gespräch zum stellvertretenden Leiter der Nachrichtenredaktion des Kabelsenders durchgestellt. Nathan Porter hat einen Birminghamer Akzent voller kumpelhafter Jovialität.
»Wie kann ich Ihnen helfen, Chief Inspector?«
»Sie haben Fotos von Natasha McBain. Woher kommen die?«
»Sie wurden uns zur Verfügung gestellt.«
»Ich brauche einen Namen und eine Adresse.«
»Unsere Quelle möchte anonym bleiben.«
Drury gibt sich alle Mühe, seine Wut zu zügeln. »Wir sind hier nicht bei WikiLeaks, Mr Porter. Wir ermitteln in einem Mordfall.«
»Sky News hat die Pflicht, seine journalistischen Quellen zu schützen. In einer freien Gesellschaft …«
Drury nimmt das Telefon und tut so, als würde er damit gegen seinen Tisch schlagen. Porter redet immer noch.
»… Unabhängigkeit der Medien ist eine wichtige Säule der Demokratie.«
Aller gute Wille, der vielleicht zwischen den beiden Männern geherrscht hat, ist verflogen.
»Jetzt mal im Ernst, Mr Porter, Sie schützen nicht die Demokratie, sondern den Mörder eines minderjährigen Mädchens.«
»Sacht«, sagt der Nachrichtenredakteur. »Ich denke, Sie übertreiben. Wir haben lediglich eine gute Story gefunden.«
»Mehr ist es für Sie nicht, eine gute Story . Ein Mädchen ist tot. Ein zweites wird vermisst. Ich gebe Ihnen fünfzehn Minuten, der Polizei die Identität Ihrer Quelle mitzuteilen. Falls Sie das nicht tun sollten, lade ich zu einer weiteren Pressekonferenz ein. Ich bin sicher, Mr und Mrs Hadley werden die Gelegenheit gerne nutzen, ihren Kommentar zu einem Sender abzugeben, der wichtige Informationen zurückhält. Informationen, die helfen könnten, ihre Tochter zu finden.«
Es entsteht eine lange Pause. Manches Schweigen hat seine eigene Grammatik und Syntax.
Der Nachrichtenredakteur spricht als Erster. »Bitte, bleiben Sie dran. Ich muss kurz Rücksprache mit unseren Juristen halten.«
»Die Uhr tickt«, sagt Drury.
Wir warten und lauschen Spots für das Weihnachtsprogramm auf Sky Cinema.
Fünf Minuten später meldet sich Porter wieder.
»Offenbar hat es ein Missverständnis gegeben«, entschuldigt er sich für die Verzögerung. »Verzeihen Sie, wenn ein falscher Eindruck entstanden ist.«
»Inwiefern?«
»Es war stets unsere Absicht, Ihnen die Fotos zur Verfügung zu stellen. Wir wollten keinesfalls Ihre Ermittlung behindern. Vielleicht könnten Sie im Gegenzug für unsere Kooperation darüber nachdenken, uns zu helfen, die Hadleys für ein Exklusivinterview zu gewinnen.«
»Ausgeschlossen«, sagt Drury.
»Vielleicht würden Sie dann für ein Interview zur Verfügung stehen?«
»Das wollen Sie bestimmt nicht, Mr Porter.«
»Warum nicht?«
»Ich könnte etwas sagen, was Sie bedauern würden.«
»Verstehe.«
»Wer hat Ihnen die Fotos gegeben?«
»Ein Mann hat in der Redaktion angerufen und uns die Fotos angeboten. Er nannte sich John Smith – offensichtlich ein falscher Name. Er wollte Geld dafür. Wir haben ihm fünfhundert Pfund bezahlt.«
»Einfach so?«
»Unsere Sicherheitskamera hat ihn aufgenommen, als er das Geld abholen kam. Geben Sie mir eine E-Mail-Adresse, dann schick ich Ihnen die Bilder.«
Drury nennt ihm eine Adresse. »Was ist mit den Fotos von Natasha?«, will er wissen.
»Sie wurden mit einem Handy gemacht. Er hat uns vier Standbilder gegeben, die offenbar aus einer Sequenz stammen, möglicherweise aus einem Video. Ich schicke die Mail jetzt ab.«
Sekunden später bestätigt ein Ton den Eingang der E-Mail.
»Danke für Ihre Kooperation, Mr
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