Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Porter.«
»Es ist uns stets ein Vergnügen zu helfen, DCI .«
Drury legt auf und klickt auf seinen Posteingang. Der Anhang öffnet sich in einem zweiten Fenster, eine Videodatei wird geladen. Das Material der Sicherheitskamera zeigt einen Mann, der durch eine Drehtür kommt und eine Halle durchquert. Er trägt ein Kapuzensweatshirt, Baseballkappe und Baggy Jeans. Die Hände in den Taschen, spricht er mit einer Frau am Empfang und weigert sich, sich für einen Besucherausweis fotografieren zu lassen. Stattdessen wartet er im Foyer, bis eine junge Journalistin in einem knielangen Rock erscheint. Er mustert sie, starrt auf ihre Waden. Der Austausch findet statt. Er wendet sich zur Tür.
»Da!«, sagt Drury.
Der Film bleibt stehen. Der Mann, der sich John Smith nennt, hat zu der Sicherheitskamera aufgeblickt und für den Bruchteil einer Sekunde sein Gesicht gezeigt.
»Scheiße!«, flucht Drury und schnappt seine Jacke von der Lehne seines Stuhls. Er öffnet die Tür und brüllt quer durch den Einsatzraum: »Blake, Casey, Middleton … Sie kommen mit mir.«
37
Blackbird Leys ist eine der größten Sozialsiedlungen in Europa, erbaut in den Fünfzigern von Stadtplanern, die glaubten, man könne die Probleme innerstädtischer Verwahrlosung lösen, indem man die Armen aus den Wohnblocks und heruntergekommenen Vierteln in Neubaugebiete am Stadtrand verpflanzt. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Stattdessen hat diese Utopie ein Ödland aus Zement und Beton hinterlassen, so trostlos wie etwas, das Dickens beschrie ben haben könnte, voller Drogenhöhlen, illegaler Fabriken, Bordells, besetzter Häuser, Gebrauchtwagenhändler, Werkstätten zum Ausschlachten geklauter Autos und Gemischtwarenläden mit vergitterten Fenstern.
Das ist nicht das touristische Oxford oder das Oxford der Talare und Barette. Hier wohnen die »Townies« – die Putzfrauen, Zimmermädchen, Lieferanten und Händler, die die Stadt am Leben halten; die Angestellten wie die Arbeitslosen, die Arbeiter- und die Unterschicht.
Wahrzeichen sind zwei identische Wohntürme, der Windrush und der Evenlode Tower, fünfzehnstöckige Monumente einer Funktionalität, die sich mit einer Abrissbirne oder zwanzig Pfund Plastiksprengstoff unendlich verschönern ließe.
Der Hintereingang des Windrush stinkt nach geplatzten Müllsäcken, Desinfektionsmittel und Katzenpisse. Ich beobachte, wie ein Dutzend Polizeibeamte in Kampfmontur die Treppe hinaufgeht. Weitere vier nehmen den Fahrstuhl und sehen aus wie Astronauten auf dem Weg zur Kommandobrücke.
Toby Kroger wohnt zusammen mit seinem jüngeren Bruder im siebten Stock. Die Nachbarn sind leise evakuiert worden. Das mobile Einsatzkommando ist in Position gegangen. Der leitende Beamte hat eine Helmkamera, die Livebilder liefert. Einen Ohrhörer im Ohr starrt Drury auf den Bildschirm.
»Die Tür geht auf. Jemand bewegt sich.«
»Es ist der Bruder.«
Ein kaum siebzehnjähriger Junge tritt mit einem schwarzen Müllsack aus der Wohnung. Er lässt die Tür offen stehen und geht zum Müllschlucker. In drei Sekunden hat er das Treppenhaus erreicht, wo die Polizisten warten.
»Der muss sie bemerken«, murmelt Drury und dann in sein Funkgerät: »Fertig zum Einsatz!«
Der Bruder wirft den Müllsack in den Schlucker und greift hinter seinen Rücken. Er könnte sich kratzen. Er könnte nach einer Waffe greifen.
»Jetzt!«, brüllt Drury in das Funkgerät. »Los! Los! Los!«
Die Kamera wackelt, als der Träger den Flur hinunter bis zu der offenen Tür rennt. Helme und Waffen blitzen auf.
» POLIZEI ! ALLE AUF DEN BODEN ! SOFORT !«
Polizisten stürmen nacheinander in die Wohnung, bis ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass noch ein Fleckchen Platz darin ist. Kroger liegt mit nacktem Oberkörper auf dem Boden, die Beine gespreizt. Der Fernseher läuft. Auf einem Tisch liegen Joysticks, Pizzaschachteln und Bierdosen.
Kurz darauf wird Kroger mit Handschellen gefesselt aus seiner Wohnung gezerrt. Er sieht aus, als wäre er gerade auf eine stromführende Schiene getreten. Irgendwo im Haus bellt ein Hund, ein Baby schreit, jemand brüllt »Ruhe«.
Der gesamte Einsatz hat zwei Minuten gedauert, doch es fühlt sich an, als hätte ich ihn in Zeitlupe verfolgt. Blackbird Leys ist unverändert. Ich blicke die leere Straße hinunter und bemerke einen jungen Mann, der mit einer Plastiktüte in der Hand über einen Fußweg geht. Er bleibt abrupt stehen, betrachtet die Szenerie und schlüpft in eine Gasse. Kurz darauf sehe ich, wie er
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