Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
nie einen Moment des Zweifelns oder Zögerns erlebt hat. In seinem Inneren ist eine andere Dynamik am Werk. Er hat Angst, ist verwirrt von dem Tempo seiner Verhaftung und fragt sich, welcher Augenblick katastrophaler Unaufmerksamkeit zu diesem abrupten Wandel seines Schicksals geführt hat.
Ich habe seine Akte gelesen. Er hat keinen Schulabschluss und ist arbeitslos, eines von drei Kindern, deren Eltern sich scheiden ließen, als er sieben war. Sein Großvater und sein Vater arbeiteten bei der Morris Motor Company in Crowley am Fließband, bis in den 80er Jahren der Personalabbau begann und neunzig Prozent der Belegschaft auf die Straße gesetzt wurden.
Kroger flog mit fünfzehn von der Schule und wurde bis zu seinem siebzehnten Geburtstag zweimal verhaftet. Es gab keine Jobs für ungelernte Arbeiter. Die Minen waren geschlossen, die Fabriken ins Ausland abgewandert. Der Staat zahlte ihm Sozialhilfe und wunderte sich, warum ein Junge wie er sich dem Verbrechen zuwandte, wenn die einzige »bezahlte Arbeit« von Dealern und Verbrecherbanden in den Sozialsiedlungen angeboten wurde. Also stellte man mehr Polizisten ein, baute mehr Gefängnisse und hoffte, dass die Unterschicht schrumpfen und sterben würde.
Drury steht hinter mir in dem Beobachtungsraum. »Was halten Sie von dem Typen?«
»Er wird Sie auflaufen lassen«, sage ich. »Vernehmungen durch die Polizei machen ihm keine Angst, das kennt er.«
»Ich bin ein geduldiger Mann.«
»Das wird nicht reichen. Sie müssen ihn erschüttern. Ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Ich kann Ihnen dabei helfen. Lassen Sie mich dabei sein.«
Der DCI verwirft die Idee nicht sofort. »Nennen Sie mir einen Grund, warum.«
»Im Moment weiß Kroger noch nicht, warum er festgenommen wurde, doch er vermutet bestimmt, dass es etwas mit den Fotos zu tun hat. In Gegenwart von Psychologen werden die Leute nervös. Sie glauben, ich gucke ihnen in den Kopf und lese ihre Gedanken. Vielleicht reicht das, um ihn zu verunsichern.«
Drury überlegt einen Moment und entscheidet dann: »Okay, dann machen wir es so.«
Kroger blickt nicht auf, als wir hereinkommen. Ich nehme einen Stuhl und schiebe ihn an die Seite des Tisches. Er blickt zu mir und sieht dann Drury an.
»Was macht der hier?«
»Professor O’Loughlin ist Psychologe. Er ist hier, um Sie zu beobachten.«
»Darf er das?«
»Entspannen Sie sich, Toby.«
»Aber warum ist er hier?«
»Das spielt keine Rolle.«
Kroger sieht mich noch einmal an. Eine halbe Minute verstreicht.
»Ich will, dass er damit aufhört«, jammert er.
»Womit?«
»Sagen Sie ihm, er soll aufhören, mich so anzustarren.«
Ohne ihn zu beachten, klappt Drury eine Aktenmappe auf und sortiert ein paar Blätter. Kroger rückt seinen Stuhl ein Stück weiter von mir weg und verschränkt die Arme.
Eine weitere Minute vergeht.
»Worauf warten Sie?«, fragt er.
»Ich gebe Ihnen Zeit, sich zu sammeln«, sagt Drury.
»Hä?«
»Ich gebe Ihnen Zeit, sich eine Geschichte zurechtzulegen. Es hilft, eine gute Geschichte parat zu haben, wenn man des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird.«
»Ich habe niemanden angefasst. Wenn sie das gesagt hat, lügt sie.«
Drury wartet. »Was glauben Sie, worüber wir hier reden, Toby?«
Kroger zögert. »Ich weiß nicht. Irgendeine Schlampe.«
»Natasha McBain. Wir haben Bilder auf Ihrem Computer gefunden.«
Kroger wirkt verdattert und braucht einen Moment, sich wieder zu fangen. »Das ist nicht mein Laptop.«
»Wir haben ihn in Ihrer Wohnung gefunden, und er ist mit Ihrem E-Mail-Account verbunden.«
»Ein Typ hat ihn mir verkauft.«
»Wann?«
»Vor ein paar Wochen.«
»Wo?«
»In einem Pub.«
»In welchem Pub?«
»Im Ox.«
»Das Ox hat seit März geschlossen.«
»Dann muss es ein anderer Pub gewesen sein. Ich kann mich nicht erinnern.«
Drury schüttelt den Kopf. »Ich habe Ihnen extra Zeit gelassen, Toby.«
»Es ist wahr! Ein Typ hat ihn mir verkauft, blond, fett, um die vierzig. Ich glaube, er war einer von diesen Typen, die Probleme mit dem Spielen haben, weil er nur sechzig Pfund dafür haben wollte.«
»Und all die Pornos auf der Festplatte?«
Kroger grinst, sein Goldzahn blinkt. »Das ist nicht verboten.«
»Wer hat die Fotos von Natasha McBain gemacht, die Sie verkauft haben?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden?«
»Wir haben Aufnahmen einer Sicherheitskamera, auf der man sieht, wie Sie Geld von einer Journalistin entgegennehmen, die Sie gerade als ihre Quelle benannt hat.«
Sein Grinsen
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