Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Zellentür und fleht, seine Frau sprechen zu dürfen.
Scott Everett ist ein weiterer von Callums Freunden, Mitte zwanzig mit einer albernen Ponyfrisur. Seine Augen haben die Farbe von Erbsensuppe. Er kauert sich unter seine Decke, als würde er hoffen, dadurch unsichtbar zu werden. Minuten später trifft sein Vater ein; er ist der Inbegriff der Höflichkeit, lässt jedoch beiläufig den Namen des Anwalts fallen, den er engagieren will.
Der letzte Verdächtige hat keine offensichtliche Verbindung zu Aiden Foster oder Callum Loach. Nelson Stokes, der ehemalige Hausmeister, wirkt nicht überrascht von seiner Festnahme. Er kennt die Routine – wann man den Kopf einziehen, wann man ihn bedecken und wann man still sein soll.
Die Männer werden getrennt aufs Revier gebracht. Man nimmt ihre Fingerabdrücke, fotografiert sie und liest ihnen ihre Rechte vor.
Um neun Uhr morgens herrscht auf dem Revier Festtagsstimmung, eine gespannte Erwartung – man steht vor einem Durchbruch in einem wichtigen Fall, die Verdächtigen sind festgenommen, die Aufdeckung der Wahrheit ist nur noch Stunden oder Tage entfernt. Telefonunterlagen werden belegen, dass alle Verdächtigen am Tatort waren und Verbindung untereinander hatten. Anfangs werden sie es leugnen, bis einer ausschert und versucht, einen Deal zu machen. Dann werden sie übereinander herfallen wie die Gäste von Nachmittagstalkshows im Privatfernsehen.
Ich beobachte die ersten Vernehmungen und lauere auf ein Zeichen, das einen der Männer von den anderen abhebt. Jeder von ihnen hat sich der sexuellen Belästigung und gemeinschaftlichen Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Sie haben Natasha gegen ihren Willen festgehalten. Sie haben ihr die Kleider vom Körper geschnitten. Sie haben sie gezwungen zu tanzen. Sie haben ihr Flehen ignoriert. Ich weiß nicht, ob sie sie vergewaltigt oder penetriert haben, doch einer dieser Männer hat die Mädchen wahrscheinlich entführt.
Laut Toby Krogers Aussage stammte der Plan, Natasha zu bestrafen, von Theo Loach. Aiden Foster war für die Verkrüppelung von Callum zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, doch in Theos Augen war Natasha genauso schuldig. Sie war Auslöser des Streits. Sie hatte die Drogen geliefert. Sie war straflos davongekommen. Seine Empörung wuchs, als er sie kokettieren, mit den Jungs flirten und auf zwei gesunden Beinen herumstolzieren sah. Jemand musste ihr eine Lektion erteilen, ihr zeigen, dass Handlungen Konsequenzen haben.
Mithilfe von Kroger und Gould rekrutierte er die anderen und organisierte ein Treffen in einem Pub in Abingdon.
»Wir sollten ihr bloß einen Schrecken einjagen«, sagte Kroger. »Theo sprach davon, ihr Säure ins Gesicht zu kippen oder ihr etwas auf den Rücken zu tätowieren, doch damit wollten wir nichts zu tun haben. Also haben wir uns darauf geeinigt, ihr die Haare abzurasieren. Nelson meinte, das hätte man im Krieg mit Frauen gemacht, die sich mit dem Feind eingelassen haben, den Deutschen, wissen Sie.«
Ich sitze hinter dem Spiegel, verfolge die Verhöre und versuche, möglichst viel über die Verdächtigen zu erfahren. Theo Loach bereut offenbar nichts. Reuben Loach ist merkwür dig schweigsam, schiebt die Brille hoch und runzelt bei jeder Frage die Stirn. Thomas Rastani befindet sich im Zustand der Leugnung, fragt ständig, wann er nach Hause gehen kann. Scott Everett ist defensiv und schwierig. Craig Gould fängt bei seiner Vernehmung zweimal an zu weinen und entschuldigt sich für seine Tränen.
Als man ihm die Aufnahme des Angriffs zeigt, sagt er: »Ich weiß, es sieht übel aus, doch sie hat nur getanzt. Sonst ist nichts passiert.«
Nur Nelson Stokes bleibt gelassen. Er wirkt nicht gehetzt, spielt keine falsche Reue vor oder legt sich eine Verteidigung zurecht. Weder zögert er bei seinen Antworten, noch schmückt er sie mit zusätzlichen Details aus. Seine Haltung und Mimik lassen keine äußerlichen Anzeichen von Stress erkennen. Er spielt sogar Spielchen und kritzelt Zahlen auf ein Stück Papier, ohne zu sagen, ob es sich vielleicht um geographische Koordinaten oder verschlüsselte Botschaften handelt.
Schuldige wirken häufig entspannt, weil sie nun weniger Sorgen haben – sie sind schon erwischt worden. Unschuldige haben mehr zu befürchten, weil Fehler passieren können. Zeugen können lügen, Beweismittel verloren gehen. Es gibt unentschiedene Geschworene, notorische Scharfrichter und korrupte Polizisten.
Sosehr ich mich anstrenge, ich sehe Stokes nach wie vor
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