Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Deswegen haben Sie mich hierhergebracht.«
»Entspann dich, Augie. Ich möchte nur mit dir reden.«
»Sie werden mich töten oder auf den elektrischen Stuhl bringen.«
»Warum sollte ich das tun?«
»In manchen Ländern machen sie das.«
»In Großbritannien gibt es keine Todesstrafe, Augie.«
Er nickt, streicht sich durchs Haar und drückt seinen Pony platt.
»Wie fühlst du dich?«, frage ich.
»Meine Hände tun weh.«
»Brauchst du Schmerzmittel?«
»Der Doktor hat mir Tabletten gegeben.«
»Wie hast du sie dir verbrannt?«
»Da war ein Feuer.«
Ich frage ihn nicht, wie das Feuer ausgebrochen ist. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, mir ein Bild von seinem Leben zu machen. Er wohnt bei seiner Mutter in Bingham, wurde in der Gegend geboren, hat die Schule mit sechzehn verlassen und jobbt seitdem als Gelegenheitsarbeiter und Landwirtschaftsgehilfe. Für die Heymans hat er Holz gehackt, den Rasen gemäht und auch einige ihrer Zäune repariert.
»Warum hast du aufgehört, für sie zu arbeiten?«
Augie rutscht nervös hin und her und kratzt an dem Mullverband an seinen Händen. Minuten verstreichen. Ich versuche es noch einmal.
»Du wurdest gefeuert. Was ist passiert?«
»Fragen Sie Mrs H.«
»Wie soll ich das machen, Augie? Mrs Heyman ist tot. Die Polizei denkt, dass du sie getötet hast.«
»Nein, nein.«
»Deswegen bist du hier.«
Er sieht mich blinzelnd an. »Sie ist bei Gott. Ich werde für sie beten.«
»Betest du oft?«
»Jeden Tag.«
»Worum bittest du Gott?«
»Um Vergebung.«
»Was soll dir denn vergeben werden?«
»Nicht für mich – für die anderen Sünder.«
»Warum warst du in dem Bauernhaus?«
»Mrs H hat gesagt, ich soll kommen.«
»Hat sie dich angerufen?«
»Ja.«
»Die Telefonverbindungen waren unterbrochen, Augie. Es war ein schrecklicher Schneesturm. Wie konnte sie dich da anrufen?«
»Sie hat mir gesagt, ich soll kommen.«
»Wann?«
»Am Tag davor.«
Bei ihm klingt das so einleuchtend.
Ich lasse mir die Details erzählen. Er hat den Wagen seiner Mutter geliehen und ist zu dem Bauernhaus gefahren, wobei er beinahe den Abzweig verpasst hätte, weil es so heftig geschneit hat. Wegen des Schnees konnte er auch nicht bis direkt vors Haus fahren, also hat er den Wagen abgestellt und ist das letzte Stück zu Fuß gegangen.
»Das Haus lag im Dunkeln. Der Strom war ausgefallen. Im ersten Stock habe ich Licht im Fenster gesehen, aber irgendwie seltsam, wissen Sie, nicht wie von einer Lampe oder einer Kerze.« Er hält sich die Ohren zu. »Ich habe sie schreien hören.«
»Mrs Heyman?«
Augie nickt. »Ich hab die Tür aufgestemmt. Dabei hab ich mir die Schulter wehgetan. Ich bin die Treppe hoch, aber die Flammen haben mich zurückgedrängt.«
Er fängt an, flach und hektisch zu atmen, als würde er Rauch einatmen, legt die Hände auf die Stirn und schlägt an seine Schläfe.
»Wie hast du dir die Hände verbrannt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hast du Mr Heyman geschlagen?«
Er schüttelt den Kopf.
»Hast du das Feuer gelegt?«
»Nein, nein.«
Er springt ohne Vorwarnung auf und geht zur anderen Seite des Zimmers, wo er vor sich hin flüstert, mit sich diskutiert.
»Redest du mit jemandem?«
Er schüttelt den Kopf.
»Wer ist es?«
Er kauert sich zusammen und späht an mir vorbei, als ob sich hinter mir ein stummer Wolf anschleichen würde.
»Erzähl mir von deinem Bruder.«
Er zögert. »Können Sie ihn auch sehen?«
»Nein. Erzähl mir von ihm.«
»Manchmal stiehlt er meine Erinnerungen.«
»Ist das alles, was er macht?«
»Er warnt mich auch vor Menschen.«
»Was sagt er denn?«
»Er sagt, sie wollen mich vergiften.«
»Welche Leute?«
»Es ist einfach so.«
»Warum bist du wirklich zu dem Bauernhof gefahren, Augie?«
»Um mein Geld zu bekommen.«
»Ich glaube dir nicht.«
Augie legt beschwörend die verbundenen Hände zusammen. Eine Röte in seinem Nacken breitet sich bis zum Haaransatz aus.
»Gott wird mein Richter sein, wenn ich lüge.«
»Gott kann dir jetzt nicht helfen.«
»Doch, das kann er. Das muss er.«
»Warum?«
»Wer soll den Teufel sonst aufhalten?«
Drurys Büro ist im zweiten Stock. Keine Plakate, spartanisch möbliert. Ich erwarte Urkunden und Fotos an den Wänden, doch er hat nur eine weiße Tafel mit Zeitachsen, Namen und Fotos aufgestellt – ein Mordgestrüpp statt eines Familienstammbaums.
Die Fenster sind beschlagen, winzige Eissplitter scheinen in dem Glas gefangen. Der DCI lehnt sich auf seinem Stuhl
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