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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Wirkungen. Ich bin dort gewesen, zurückgekommen und habe Andenken mitgebracht. Es ist nicht so, dass es mich nicht mehr kümmert. Aber ich habe meinen Teil geleistet. Ein anderer sollte die Last übernehmen.
    DS Casey öffnet mir die hintere Tür. Drury sitzt vorn. Wir fahren nicht zur Polizeistation, sondern nach Abingdon. Die Reifen knirschen über das Streusalz auf dem Asphalt und spritzen durch Pfützen aus Schneematsch. Nur wenige Autos und noch weniger Fußgänger sind unterwegs.
    Nach zwanzig Minuten halten wir vor einem kleinen Häuschen aus rotem Backstein mit einer Rauputzfassade. Drury starrt durch die Windschutzscheibe, dann endlich spricht er.
    »Jemand hat ihre Klitorisvorhaut und ihre Klitoris entfernt. Das ist was Religiöses, oder? Das macht man in einigen muslimischen Ländern mit jungen Mädchen. Näht sie zu …«
    »Es war nicht religiös.«
    »Was für ein kranker …«
    »Es war eine Bestrafung. Rache.«
    »Jemand hat dieses Mädchen gehasst?«
    »Oder das, was sie verkörperte.«
    »Sie war achtzehn – was verkörperte sie schon?«
    »Weiblichkeit, Jugend, Schönheit, Sex …«
    »Also ein Sexualverbrechen?«
    »Ja.«
    Er bläst Luft aus und schüttelt den Kopf.
    »Ich bin nicht glücklich über die Situation, Professor, aber ich habe keine Wahl. Wenn Sie das nächste Mal eine Theorie haben oder irgendwas entdecken, erzählen Sie es mir zuerst, kapiert?«
    »Ja.«
    »Ich will ein umfassendes psychologisches Profil. Ich will wissen, wo Natasha gewesen und warum sie zurückgekommen ist. Ist sie weggelaufen, oder wurde sie entführt? Wo wurde sie festgehalten? Warum wurde sie verstümmelt?«
    »Ich bin Psychologe, kein Wahrsager.«
    »Und Sie sind kein Detective, vergessen Sie das nicht.«
    Der DCI steigt aus und macht mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Er klingelt. Wir warten. Ich höre einen laufenden Fernseher, Schritte. Die Tür wird geöffnet. Ein junger Mann blinzelt uns an. Er hat Tätowierungen an den Unterarmen und am Hals. Er trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck POKER – YOU KNOW SHE LIKES IT und hält etwas hinter dem Türrahmen außer Sichtweite.
    Drury präsentiert seine Dienstmarke. »Hallo, Hayden, ist deine Mutter zu Hause?«
    »Sie macht sich für die Arbeit fertig.«
    »Es dauert nicht lange.«
    Sie starren sich einen Moment lang an, bevor Hayden den Kopf wendet und die Treppe hinaufruft.
    »Mum. Die Bullen.«
    Ein lautes Klappern, als ob etwas zu Boden gefallen ist, dann ein zögerliches: »Ich komme sofort.«
    Hayden schiebt den Gegenstand, den er vor uns verbirgt, in den Bund seiner Jeans und bedeckt ihn mit seinem T-Shirt. Aus dem Fernseher ertönt eine Lachsalve vom Band. Er öffnet die Tür und lässt uns herein.
    Im Wohnzimmer sitzt ein dünnes weißes Mädchen in einem Sessel und raucht – den Arm angewinkelt und den Kopf zur Seite gelegt, um den Rauch auszublasen. Haydens Freundin. In dem Zwielicht sieht sie aus wie unter Drogen. Ich schätze sie auf siebenundzwanzig, aber sie könnte auch erst siebzehn sein.
    Hayden sagt ihr, sie solle nach Hause gehen. Sie bläst sich den Pony aus den Augen und ignoriert ihn.
    »Ich hab gesagt, verpiss dich!«
    Diesmal nimmt sie ihren Mantel, grinst höhnisch und knallt die Haustür hinter sich zu.
    Hayden setzt sich auf den frei gewordenen Sessel, nimmt eine Fernsehzeitschrift und blättert darin, ohne zu lesen.
    Das Wohnzimmer ist vollgestellt und beengt und riecht nach alten Schuhen und Zigaretten. Auf dem Kaminsims stehen Weihnachtskarten neben einem traurig aussehenden Weihnachtsbaum. Unechte grüne Zweige sind mit Lametta geschmückt und biegen sich unter dem Gewicht billigen Christbaumschmucks. Der Verkündigungsengel ist so schwer, dass er den obersten Zweig herunterbiegt wie ein Katapult.
    Leise Schritte kommen die Treppe hinunter. Alice McBain trägt eine dunkle Hose, eine Bluse mit grünem Saum und eine Strickjacke. Sie ist Ende vierzig, vielleicht jünger, klein, mit kurzem glattem Haar und der leicht benommenen, ungläubigen Miene eines Flüchtlings; eine Gestalt, die vom Leben niedergeschlagen wurde, ohne je recht zu begreifen, warum.
    »Wir kommen wegen Natasha«, sagt Drury.
    Alice schlägt eine Hand vor den Mund. Ungewissheit schimmert in ihrem Blick; keine Angst, keine Hoffnung, sondern etwas, das wild zwischen beiden Extremen pendelt. Verschwundene Kinder verbreiten ein Schweigen um sich, ein Vakuum, das mit jeder Schattierung von Hoffnung und Verzweiflung gefüllt wird.
    Drury hat gegenüber Alice Platz genommen,

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