Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Blutend.
Ich machte ihr eine Tasse Tee und wärmte Baked Beans auf. Sie aß nichts. Sie trank nichts. Da hatte sie schon aufgehört zu leben. Alle Hoffnung war dahin.
11
Ein Geräusch hat mich geweckt: eine knarrende Bodendiele oder ein Flüstern vor der Tür. Vielleicht war es auch gar kein Geräusch. Benommen schiebe ich die Bettdecke weg und schleiche auf Zehenspitzen und mit knackenden Kniegelenken zur Tür.
Ich schließe auf und spähe in den Flur. Leer, das dunkle Treppenhaus wie ein klaffendes Loch. Ich mache einen Schritt hinaus und spüre etwas Feuchtes unter meinen Füßen. Schmelzender Schnee, der von draußen hereingetragen wurde. Irgendjemand hat hier gestanden.
Ich mache die Tür zu, schließe zweimal ab, gehe zum Fenster und schiebe den Vorhang beiseite. Draußen ist es noch dunkel. Charlie schläft. Sie macht kaum einen Laut. Als sie ein Baby war, habe ich oft über ihrer Wiege gekauert, weil ich Angst hatte, dass sie nicht mehr atmet.
Ich schlafe jetzt bestimmt nicht mehr ein. Ich werde wach liegen und die Details des vergangenen Tages durchgehen. Das Bild des erfrorenen Mädchens geht mir nicht aus dem Sinn. Je mehr ich versuche, es beiseitezuschieben, desto energischer drängt es in mein Sichtfeld. Das ist die bittere Unausweichlichkeit unerwünschter Gedanken. Wir können unsere Köpfe nicht leeren. Wir können nicht vergessen.
Gegen sieben wecke ich Charlie, und wir frühstücken kurz, bevor wir zum Bahnhof gehen. Wir kaufen Proviant für die Fahrt – Coffee to go, heißer Kakao und den Daily Telegraph . In fünf Minuten kommt unser Zug.
Auf dem Parkplatz des Bahnhofs bremst mit quietschenden Reifen ein Polizeiwagen. DCI Drury springt heraus, rennt die Treppe hoch und schwingt sich über die Absperrung wie ein Turner über einen Barren. Grievous kann nur mit Mühe folgen. Als er sich über die Barriere kämpft, verzieht er vor Anstrengung das Gesicht.
Drury läuft den Bahnsteig entlang, außer Atem und wütend. Beinahe hätte er Charlie umgerannt, bevor er mir einen Finger in die Brust stößt.
»Woher verdammt noch mal wussten Sie es?«
Ich weiche nicht zurück, doch ich mache mir Sorgen um Charlie.
»Alles okay?«, frage ich sie.
Sie nickt. Ich sehe Drury an. »Bitte entschuldigen Sie sich bei meiner Tochter.«
Er lässt sich nicht ablenken. »Sagen Sie mir, woher Sie es wussten. Leece hat die Zahnunterlagen verglichen. Es ist Natasha McBain.«
»Ich war mir nicht sicher.«
»Hat Shaw sie erkannt?«
»Nein.«
»Wie dann?«
»Der Hund.«
»Soll das ein Witz sein? Ausgehend von einem Hund haben Sie sich einen Namen aus dem Arsch gezaubert.«
»Es war schon ein bisschen mehr«, sage ich ausweichend.
»Wo ist sie gewesen? Drei Jahre lang kein Wort, und dann taucht sie mitten in einem Schneesturm wieder auf.«
»Ich weiß es nicht.«
Eine Bahnsteigansage unterbricht uns. Der Zug fährt gleich ein. Drury wartet und lockert seine Krawatte.
»Sie hätten es mir sagen müssen. Ich stehe nicht gern wie ein Obertrottel da.«
»Ich hätte auch falschliegen können.«
»Der Chief Constable will Sie sehen.«
»Warum?«
»Das ist seine Sache.«
»Unser Zug kommt.«
»Es fährt bestimmt noch einer.«
Chief Constable Thomas Fryer ist ein großer Mann, der sich in eine Uniform gezwängt hat, die ihm eine Nummer zu klein ist. Er hat ein rosiges Gesicht mit verbitterten Augen und ein Büro im obersten Stockwerk des Hauptquartiers der Thames Valley Police. Es bietet ihm einen Blick in den blauen Himmel und die tägliche Bestätigung, dass er es in seinem gewählten Beruf bis ganz nach oben geschafft hat.
Er nimmt seine randlose Brille ab und putzt sie mit einem Papiertaschentuch.
» DCI Drury möchte Sie festnehmen lassen.«
»Was wirft er mir vor?«
»Sie haben ihn wie einen Dummkopf aussehen lassen.«
»Das war nicht meine Absicht.«
Durch die Jalousie kann ich ins Vorzimmer gucken. Charlie wartet auf einem Plastikstuhl und schreibt SMS auf ihrem iPhone. Drury ist im selben Raum und läuft ungeduldig auf und ab, wütend, von dem Gespräch ausgeschlossen zu sein.
Fryer setzt seine Brille wieder auf.
»Er ist ein guter Detective. Hitzköpfig und laut, aber er liefert Ergebnisse.«
Der Chief Constable setzt sich. Die Silberknöpfe seiner Uniform klappern an der Kante seines Metallschreibtischs.
»Sind Sie ein Spieler, Professor?«
»Nein.«
»Aber Sie verstehen etwas von Wahrscheinlichkeiten?«
»Ja.«
»Ein Spieler setzt möglicherweise ein paar Pfund auf eine riskante
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