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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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wieder zu, aber dieses arme Mädchen hat im Leben mehr Erniedrigung erfahren müssen als im Tod.«
    Er reicht mir ein zweites Foto. »Mit viel Fantasie kann ich nachvollziehen, warum ein sadistischer Wichser ein Mädchen im Teenageralter vergewaltigt. Vielleicht ist er asozial oder impotent oder nur einfach zu hässlich, eine ins Bett zu kriegen. Und ich kann beinahe verstehen, warum er sie als Spielzeug eingesperrt hält, sie verprügelt und sich von ihrer Angst erregen lässt. Aber das … das geht über meinen Horizont.«
    Er gibt mir ein letztes Foto – eine extreme Nahaufnahme von Natashas Unterleib mit ihrer Vagina in allen anatomischen Einzelheiten. Dann erkenne ich, was ich betrachte … was ich nicht sehe. Klitorisvorhaut und Klitoris fehlen.
    Das ist es, was Dr. Leece bei der Obduktion gesehen hat. Das hat ihm die Sprache verschlagen.
    »Auch Tote haben Rechte«, sagt Fryer. »Es ist mir egal, ob Sie sich etwas anderes wünschen. Das schert mich nicht. Ich wünsche mir manchmal auch, ich würde weniger arbeiten, wäre netter zu meinen Mitmenschen und könnte ein Asyl für obdachlose Katzen eröffnen, aber dann wird mir klar, dass ich so ein Mensch nicht bin, und deshalb kümmert es mich auch einen Scheißdreck, ob Sie ruhebedürftig oder im Ruhestand oder sonst was sind. Das sind alles nur billige Ausreden.«
    Der Chief Constable stößt einen Finger auf die Fotos.
    »Sie werden mir helfen, Professor, weil hier mehr auf dem Spiel steht als ein ramponierter Ruf oder ein DCI , dem die Kinnlade verrutscht ist. Es gab zwei Bingham Girls. Der Job ist noch nicht erledigt.«

12
    Drury sagt kein Wort, als er das Büro des Chief Constable verlässt. Die blutleeren Fäuste geballt und mit einem irren Leuchten in den Augen stürmt er zum Fahrstuhl und schlägt mit der offenen Hand auf den Knopf, als wolle er die ganze Wand einreißen.
    Seine Argumente hallen mir noch in den Ohren nach, vorgetragen in einer Phonstärke, dass neugierig Türen geöffnet und Augenbrauen hochgezogen wurden. Er verlangte ein größeres Ermittlungsteam, mehr Detectives, eine bessere finanzielle Ausstattung. Was er nicht wollte, war ein »beschissener Seelenklempner«, der mit Klischees daherkam und ihm das verdammt Offensichtliche erklärte.
    Charlie tat so, als würde sie nicht zuhören. Sie drehte ihren iPod auf, ließ die Beine baumeln und summte vor sich hin. Jetzt rennen wir beinahe den Korridor hinunter, um Drury einzuholen, der die Fahrstuhltür aufhält, als wäre er Moses, der das Rote Meer teilt.
    Der Polizeiwagen setzt uns im Hotel ab, wo ich ein neues Zimmer buche. Charlie ist verstummt, sie knibbelt an einem Nietnagel, ein Zeichen absoluter Verdrossenheit. Ich versuche, sie auf die Wange zu küssen. Sie wendet den Kopf ab.
    »Es dauert nicht lange.«
    »Und was ist mit London?«
    »Vielleicht morgen.«
    »Ich kann allein fahren.«
    »Das würde deiner Mutter nicht gefallen.«
    Drury wartet unten mit laufendem Motor.
    Die Fahrstuhltür schließt sich. Ich starre auf mein Spiegelbild in dem polierten Stahl und frage mich, wie ich wieder hier gelandet bin – verwickelt in eine weitere Ermittlung. Welches Talent ich auch immer habe, die Gabe, das Verhalten der Menschen und ihre Motive zu verstehen, hat sich in einen Fluch verwandelt.
    Die Menschen wimmeln von Informationen über sich selbst. Sie sickern aus ihren Poren, strömen aus ihrem Mund, enthüllen sich in jeder Angewohnheit, jedem Tick und jedem Zucken. Ob die Menschen scheu, materialistisch, verlegen über ihren eigenen Körper oder eitel sind, am laufenden Band Klischees verbreiten, vor Aphorismen und Stammtischweisheiten überquellen – sie verraten sich auf tausende verschiedene Arten.
    Und ich fange diese Signale beinahe unbewusst auf, lese ihre Körpersprache und bemerke die Hinweise. Ich wollte immer wissen, wie es zu einem Verbrechen kommt. Warum ermordet ein Paar eine junge Frau und begräbt sie in ihrem Keller? Warum schießt ein Teenager auf dem Schulhof um sich? Warum bringt eine Schülerin ein Baby in der Schultoilette zur Welt und wirft das Neugeborene in eine Mülltonne? Aber jetzt will ich nicht mehr. Ich will nicht in die Köpfe der Leute gucken können. Es ist, als ob man zu viel wüsste, als ob man zu lange gelebt, zu viel gesehen und Erfahrungen bis zur Erschöpfung gemacht hätte.
    Menschen sind kompliziert, grausam, mutig, beschädigt und anfällig für ungeheuerliche Akte der Brutalität und der Güte. Ich kenne die Ursachen. Ich kenne die

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