Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Gesunde sterben. Denk mal darüber nach. Das liest man doch ständig in den Zeitungen: Die Leute gehen für eine kleinere Operation ins Krankenhaus und sterben wegen blöder Fehler überarbeiteter Krankenschwestern und erschöpfter Assistenzärzte. Man hört nie davon, dass wirklich schwerkranke Menschen sterben.«
»Das liegt daran, dass sie wirklich krank sind.«
»Genau.«
Ich mache mir nicht die Mühe, ihn auf den Fehler in seiner Logik hinzuweisen.
»Man sollte mich zum Gesundheitsminister ernennen«, fügt er hinzu. »Ich könnte das Problem mit den Wartelisten sofort lösen.«
»Wie das?«
»Ich würde die Leute am Eingang der Notaufnahme fragen, wie sie sich verletzt haben. Lebensmittelvergiftung, Hundebisse und gebrochene Arme müssen eine Viertelstunde warten. Aber wenn sie mit selbst zugefügten Schnittwunden und Staubsaugerdüsen im Arsch auftauchen, dauert es sechs Stunden.«
»Bist du sicher, dass du nicht die Daily Mail liest?«
»Ich bin streng, aber gerecht. Es gibt zu viele Idioten, die unser Gesundheitsbudget aufbrauchen.«
Drury hat sein Gespräch beendet. Er breitet die Hände aus wie ein Mafiapate. »Wo sind Sie gewesen?«
»Ich musste meine Tochter nach Hause bringen.«
»Sagen Sie nächstes Mal Grievous Bescheid. Er ist rumgelaufen wie ein verirrtes Hündchen.«
Ich stelle ihm Ruiz vor, und die beiden mustern sich mit einem Händedruck. Drury wirkt heute weniger aggressiv. Vielleicht ist er noch nicht seinem üblichen Quantum an Idioten begegnet.
»Wenn Piper Hadley nicht wäre, würde ich mir wünschen, der Junge wäre tot«, sagt Drury. Er redet von Augie Shaw. »Ein Zeichen für Schuld, ein Selbstmordversuch.«
»Oder für Verzweiflung«, sage ich.
Der DCI wirft eine Münze in den Automaten und trifft seine Wahl. Eine Flasche Wasser fällt in die Ablage. Er öffnet den Verschluss, trinkt geräuschvoll und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab.
Er sieht mich an. »Glauben Sie immer noch, dass Augie Shaw Natasha McBain und Piper Hadley nicht entführt haben kann?«
»Er hat weder den Intellekt noch die Erfahrung.«
»Vielleicht haben Sie recht, Professor, aber während Sie glückliche Familie gespielt haben, haben wir die registrierten Sexualstraftäter in der Gegend überprüft und unseren Selbstmordkandidaten da drinnen gründlich durchleuchtet. Dabei ist ein sehr interessanter Name aufgetaucht – sein alter Herr Wesley Shaw wurde wegen der Vergewaltigung von Kindern in acht Fällen angeklagt, konnte die Anklage jedoch auf einen Versuch widerrechtlicher Penetration einer Minderjährigen herunterhandeln. Und wissen Sie, wo er an dem Abend war, als die Bingham Girls verschwunden sind? Er hat für einen Schausteller auf der Kirmes gearbeitet.«
»Wo ist er jetzt?«
»Er ist vor achtzehn Monaten gestorben. Ist bei Rot über die Straße gelaufen und in der Stoughton Street von einem Bus überfahren worden.«
Drury wirft die leere Plastikflasche in den nächsten Papierkorb.
»Wesley George Shaw. Er hatte noch ein paar andere Namen: WG Buford, David William Burford, George Westman. Geboren 1960 als Sohn eines Flugzeugmechanikers bei der RAF Abingdon. Erste Festnahme mit vierundzwanzig wegen versuchter Vergewaltigung. Die zweite wegen des Versuches, eine minderjährige Prostituierte auf dem Straßenstrich aufzugabeln. Sehen Sie, worauf ich hinauswill, Professor? Wesley Shaws Name ist auch in der ersten Ermittlung schon aufgetaucht, doch seine Frau gab ihm ein Alibi. Sie hat für ihn gelogen.«
»Hat sie Ihnen das gesagt?«
»Sie hat es soeben bestätigt.«
»Aber Wesley Shaw ist tot.«
»Er hat noch gelebt, als die Mädchen verschwunden sind. Er hätte sie entführen und das Ganze organisieren können. Augie hat sie bloß geerbt. Wie der Vater, so der Sohn.«
Am Ende des Flures geht eine Tür auf, und Victoria Na parstek erscheint. Groß, blass, entschlossen, das Gesicht vor Wut rot angelaufen. Sie marschiert auf Drury zu und bleibt erst wenige Zentimeter vor ihm stehen.
»Ich habe dich gewarnt.«
Er hebt die Hände, doch Victoria schlägt sie weg.
»Ich hab dir gesagt, was passieren würde.«
»Lass uns das irgendwo anders besprechen. Beruhige dich erst mal.«
»Sag mir nicht, dass ich mich beruhigen soll.«
Er geht sanfter mit ihr um, als ich erwartet habe. »Jemand hat Mist gebaut. Es tut mir leid.«
»Hast du das seiner Mutter gesagt? Nein. Das könnte ja einen Prozess nach sich ziehen. Schadensersatzforderungen. Stattdessen schließt ihr die Reihen.
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