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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Birmingham musste, ist meine Mutter nicht mitgekommen, um zuzusehen. Sie sagte, Laufen wäre nicht besonders ladylike, und deutete an, dass ich ein mutiertes Gen haben müsse, das nicht von ihrer Seite der Familie stammen könnte. Oder sie scherzte, sie müsse mal in den Adoptionsunterlagen nachsehen oder sie hätte wohl mit Seb Coe statt mit meinem Vater gevögelt.
    So hat sie Dad ständig runtergemacht. »Wegen deines Aussehens habe ich dich bestimmt nicht geheiratet«, sagte sie immer, »aber was ist mit der Intelligenz, die du mit in die Familie bringen solltest?«
    Nachdem ich bei den Landesmeisterschaften in meiner Altersgruppe Zweite geworden war, schenkten meine Eltern mir ein neues Raleigh-Fahrrad. Vom Laufen hatte ich die Nase inzwischen voll, aber mein neues Fahrrad mochte ich. Ich fuhr überallhin, Kilometer auf Kilometer.
    In dem Monat ist meine Oma gestorben. Als ich es erfuhr, fuhr ich mit dem Fahrrad zum Bahnhof von Abingdon und wartete, bis ein Schnellzug vorbeidonnerte, damit ich darüber fluchen und schreien konnte, wie verkehrt die Welt war, mir meine Oma zu nehmen. Das will ich jetzt auch tun. Ich will so laut schreien, wie ich kann, aber diesmal will ich, dass die Welt mich hört.

18
    Homöopathen sagen, dass Wasser eine Erinnerung speichern kann, warum dann nicht auch Wände? Man kann sie abschrubben, mit Graffiti beschmieren, anstreichen und verputzen, doch irgendwo unter diesen Schichten bleibt etwas Vergangenes zurück.
    Der Schließer, der vorausgeht, hat hellblondes Haar mit einem Seitenscheitel wie ein Grundschüler. Hin und wieder sieht er sich um, um sich zu vergewissern, dass ich ihm noch folge.
    »Einer meiner Kollegen hat ihn gefunden«, sagt er, als wir vor einer Zelle stehen bleiben. »Er hat die Sichtluke geöffnet, ihn da hängen sehen und Alarm geschlagen.«
    Die Zellentür wird geöffnet. Man erwartet, dass ich mir den Ort des Geschehens ansehe. Der Wärter redet immer noch. »Mein Kollege hat den Arm um die Hüfte des Gefangenen gelegt, um ihn zu stützen, bis ihn jemand abschneiden konnte.«
    Der Wärter weist auf die gegenüberliegende Wand. »Der Gürtel war um dieses Heizungsrohr geschlungen. Er muss sich auf die Bank gestellt haben.«
    Der Raum hat keine Fenster, nackte Wände und einen Betonboden.
    »Er wurde ins Radcliffe gebracht, bewusstlos, aber er hat noch geatmet. Möglicherweise hat er Hirnschäden erlitten. Sauerstoffmangel. Ich habe gehört, wie das einer der Notärzte gesagt hat.«
    Der Wärter starrt auf etwas jenseits der Mauern. »Es wird eine umfassende Untersuchung geben. Keine Gürtel, keine Schnürsenkel. Das ist die Regel. Irgendjemand hat Mist gebaut.«
    Ich muss raus an die frische Luft. Erst als ich den Parkplatz erreiche, merke ich, dass ich die Luft angehalten habe. Ruiz wartet auf mich. Er trägt einen schweren Wollmantel, der aussieht, als hätte er beide Weltkriege überlebt. Zwischen seinen Zähnen klappert ein Bonbon.
    »Du hast hergefunden«, sage ich.
    »Ich habe das Polizeihandwerk gelernt.«
    Er hat ein neues Auto. Früher fuhr er einen alten Mercedes, sein ganzer Stolz, doch der hat die Kollision mit einer Motelmauer nicht überstanden. Jetzt hat er einen dunkelgrün lackierten, kastenartigen Range Rover.
    »Sieht aus wie ein Panzer.«
    »Genau.«
    Gemeinsam fahren wir zum Krankenhaus. Sinatra singt aus voller Kehle über die Anlage: »That Old Black Magic«. Ruiz’ Musikgeschmack ist eigentlich nie über die 50er Jahre hinausgekommen. Ich habe ihn mal nach den Sixties gefragt, und er meinte, er wäre zu beschäftigt gewesen, Hippies zu verhaften, um auf dem Peace Train mitzufahren.
    »Dann hast du die freie Liebe verpasst.«
    »Oh, die ist nie frei, Professor. Nie.«
    Vor dem Haupteingang stehen Polizeiwagen, und auf der Intensivstation ist ein uniformierter Beamter postiert. Gut aussehend. Die Schwestern lächeln ihm im Vorbeigehen zu.
    Augie Shaw liegt halbnackt mit Handschellen an das Bett gefesselt. Die Äderchen in seinen Pupillen sind geplatzt. An seinem Bett sitzt eine Frau, vorgebeugt, den Kopf auf die Matratze gelegt, die Augen geschlossen. Seine Mutter, die noch kleiner wirkt als vorher, so als würde sie langsam verschwinden.
    DCI Drury spricht mit einem der Ärzte. Wir warten.
    »Ich hasse Krankenhäuser«, sagt Ruiz und erwartet, dass ich frage, warum.
    Ich tue ihm den Gefallen. »Warum?«
    »Weil dort gesunde Menschen sterben.«
    »Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.«
    »Kranke werden im Krankenhaus gesünder.

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