Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
Sie konnte Victor niemals verlassen, weil er das nie zulassen würde. Das hatte er heute nacht bewiesen.
2. Sie würde sich nie wieder von ihm berühren lassen. Sollte er das auch nur versuchen, so würde sie ihn umbringen.
3. Nie wieder würde sie ihn anschreien. Sofern er sie in Ruhe ließ, würde sie sich seinen sonstigen Wünschen fügen. Aber streiten würde sie sich mit ihm nicht mehr. Es gab nichts, das wichtig genug wäre, um sich darüber zu streiten. Nichts mehr.
4. Nie wieder würde sie sich ans Lenkrad eines Autos setzen.
5. Sie war tot. Sie war so tot, wie sie’s nur je sein konnte.
10
Mrs. Adilman wirkte grauer und rundlicher, als Donna sie in Erinnerung hatte. Anders als die meisten anderen Zeugen, die betont jeden Blick in Donnas Richtung mieden, lächelte Mrs. Adilman auf ihrem Weg zum Zeugenstand Donna zu und sagte: »Hallo.«
Für Donna gab es ein paar weitere Überraschungen. Mrs. Adilmans Vorname war Arlene (es war Donna nie eingefallen, sie danach zu fragen), und außerdem war sie erst sechsundfünfzig. Zweifellos trugen die baumwollenen Hauskleider und die bequemen flachen Schuhe, die sie trug, entscheidend dazu bei, daß man sie für wesentlich älter hielt. Donna hatte in ihr eigentlich immer so etwas wie das Musterbeispiel einer freundlichen Großmutter gesehen: jenes märchenhafte Wesen, das stets irgendwelches Gebäck bei sich hatte und das man dazu beschwatzen konnte, einem vor dem Einschlafen noch eine weitere Geschichte vorzulesen – jene grundgütige Großmutter, unter deren Spitzenhäubchen urplötzlich die Fratze des bösen Wolfs sichtbar werden mochte. Warum, Großmutter, hast du so große Zähne?
Schnell waren die ersten Fakten aktenkundig gemacht. Mrs. Adilman hatte Donna kennengelernt, nachdem diese als Jung –
verheiratete in Victors Haus eingezogen war. Im Laufe der Zeit hatte man sich dann besser kennengelernt, zumal nach der Geburt von Victors Sohn (eine interessante Betrachtungsweise, fand Donna).
Ein ganz süßes Wesen sei Donna (vielen Dank, Lady), doch überaus anfällig für Erkältungen und Grippe. (Geht’s schon wieder los?) Dies sei vor allem in der Zeit nach Sharons Geburt der Fall gewesen. Wenigstens zweimal pro Woche, so schien es, sei sie hinübergegangen, während Donna bettlägerig gewesen war. Ihr – Donnas – Verhalten wurde immer sonderbarer (wieder dieses Wort). Einspruch. Abgewiesen. Rasch ging’s weiter, und allmählich entfernte man sich ein wenig aus dem Bereich unbestreitbarer Fakten.
Mitunter habe sie »drüben« die ganze Nacht über Licht gesehen. Und als sie einmal aufgestanden sei, um ins Bad zu gehen – nun also, deutlich hatte sie erkennen können, wie Donna im Cressy-Haus die Wohnzimmerwände reinigte, um vier Uhr morgens, und am darauffolgenden Tag lag sie dann krank im Bett. Woher sie, Mrs. Adilman, das wußte? Nun, sie war doch gekommen, um nach den Kindern zu sehen.
Von da an hatte sie (und der Ärger mit ihren Nieren trieb sie nachts häufig ins Bad) regelmäßig Ausschau gehalten, ob bei den Cressys Licht brannte. Bei den Cressys brannte Licht, regelmäßig. Und immer war Donna auf – und dabei, irgend etwas zu reinigen.
Und als Mutter?
Donna hielt unwillkürlich den Atem an. In diesem Punkt konnte ihr die Lady wirklich schaden.
»Ach, mit Adam ging’s eigentlich ziemlich gut«, begann Mrs. Adilman. (Ja, sie wird mir schaden, dachte Donna.) »Allerdings erinnere ich mich da an einen merkwürdigen Zwischenfall.« Entschuldigend blickte sie zu Donna.
»Bitte, erzählen Sie«, forderte sie der Anwalt auf.
»Nun«, sagte sie, »ich war draußen beim Blumengießen. Hatte die Nacht nicht schlafen können und mich deshalb schon in aller Frühe hochgerappelt – da sah ich Donna in ihrer Küche sitzen. Sie trank eine Tasse Kaffee, und ich ging hinüber, um Hallo zu sagen. Victor war geschäftlich auf Reisen, und ich fragte sie, ob der Kleine noch schlief – Adam war als Baby nämlich für Koliken anfällig, so ein bißchen zumindest. Er weinte viel, und an diesem Morgen war alles so still.«
»Und welche Antwort gab sie Ihnen?«
»Sie sagte, sie glaube, er sei tot.« Die folgenden Sätze entgingen Donna, weil sie voll Anspannung das Gesicht des Richters beobachtete. Er wirkte gehörig geschockt. Dank deiner reifen Leistung, Arlene, dachte Donna. Aber nur weiter im Text. »Sie sagte, wenn sie erst gehen würde, um nach ihm zu sehen und ihn wirklich tot vorfinden würde, dann käme sie um ihre Tasse Kaffee.«
Ed
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