Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
mitunter sprach sie direkt zum Richter. Und von Zeit zu Zeit warf sie, überraschenderweise, Victor einen Seitenblick zu, hoffte auf einen Schimmer von Verständnis
in seinem Gesicht – auf irgend etwas, das gleichsam sagte: »Ah ja, jetzt begreife ich, was du meinst. Euer Ehren, ich ziehe meine Klage zurück. Mögen die Kinder bei meiner Frau bleiben – will sagen, bei dieser Frau, die ihrer Sinne in jeder Hinsicht mächtig ist.« Doch soweit sie sehen konnte, gab es seinerseits nur eine Reaktion: wiederholtes Kopfschütteln. Ed Gerber wartete, bis sie getrunken hatte. Seit anderthalb Stunden hämmerte er auf sie ein. Anders als ihr eigener Anwalt, der sich ebenso behutsam wie hilfsbereit gezeigt hatte, wirkte Mr. Gerber scharf und böse. Buchstäblich empört, nach dem Klang seiner Stimme zu urteilen. Die Institution der Ehe, das Fundament der Familie – was hatte sie da angerichtet! Guter Gott, würde sich die Idee wahrer Mutterschaft je wieder genügend erholen können?
Während des Kreuzverhörs blieb Donnas Stimme ruhig und gleichmäßig. Und so sehr ihr Inquisitor sich auch anstrengte, sie zu Reaktionen zu provozieren, die jenes Image untermauerten, das er von ihr mit soviel Fleiß entworfen hatte – sie blieb gelassen. Sie hustete nicht, sie nieste nicht, auch lief ihr nicht die Nase; sie kratzte sich nicht die Hand, und sie bat nicht um ein Papiertaschentuch, nicht um ein einziges. Gewiß, sie hatte um ein Glas Wasser gebeten, aber darin schien niemand etwas Abnormes zu sehen.
»Ihr Mann hat also etliche, ja, zahlreiche Versuche zwecks Aussöhnung unternommen?«
»Ja.«
»Sie haben sie sämtlich zurückgewiesen?«
»Ja.«
»Wann gab Mr. Cressy diese Versuche auf?«
»Als ich ihm sagte, daß ich einen anderen liebte.«
»Sie meinen Dr. Mel Segal?«
»Ja.«
Warum kaute er das alles noch einmal durch? Sie hatte ihre »eheliche Untreue« doch längst eingestanden.
»Wo wohnen Sie zur Zeit, Mrs. Cressy?«
»In einem gemieteten Haus in Lake Worth.«
»Und Dr. Segal?«
»In Palm Beach.«
»Sie wohnen nicht zusammen?«
»Nein.«
»Warum nicht? Wollen Sie vielleicht behaupten, daß das Ihrem Moralkodex zuwiderläuft?« Er schien die Worte geradezu hervorwürgen zu müssen.
»Wir wohnen nicht zusammen«, erwiderte Donna kühl, »weil ich Zeit brauche, um mit meinen Kindern allein zu sein. Es ist ja nicht so, daß ich unter eine Ehe einen Schlußstrich ziehe, um mich Hals über Kopf in eine neue Verbindung zu stürzen. Ich brauche Zeit, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen.«
»Aber Sie treffen sich mit Dr. Segal – ist das richtig?«
Donna blickte zu Mel. »Ja«, sagte sie.
»Und es ist Ihre Absicht, dieses Verhältnis fortzuführen?«
»Ja.«
»Bis Sie dessen überdrüssig sind. So ähnlich wie bei Ihren diversen Haarfarbe...«
»Einspruch, Euer Ehren.«
»Stattgegeben.«
Donnas Augen glitten von den Anwälten zum Richter. Dann blickte sie wieder zu Mr. Gerber.
»Sagen Sie mir doch bitte, Mrs. Cressy«, fuhr er fort, »was für ein Vater ist Victor Cressy?«
Donna blickte zu Victor. »Er ist ein guter Vater«, sagte sie ruhig und ziemlich leise.
»Bitte um Vergebung, Mrs. Cressy, aber das konnte ich nicht verstehen. Sie haben zu leise gesprochen. Würden Sie es bitte wiederholen?«
»Ich habe gesagt, Victor ist ein guter Vater«, wiederholte sie laut.
»Um seine Kinder besorgt?«
»Ja.«
»Aufmerksam?«
»Ja.«
»Interessiert?«
»Ja.«
»Hat er sie irgendwie mißhandelt?«
»Nein.«
»Hat er sie je geprügelt?«
»Nein.«
»Hat er gegen eins der beiden Kinder auch nur ein einziges Mal die Hand erhoben?«
»Nein.«
»Meinen Sie, die Kinder wären bei ihm gut aufgehoben, sofern sie ihm gerichtlich zugesprochen würden?«
Donna hatte das Gefühl, daß sich der Speichel in ihrem Mund in Staub verwandelte. Wie gern hätte sie jetzt Lügen aufgetischt – furchtbare Geschichten von irgendwelchen Gemeinheiten und Grausamkeiten, damit Victor in den Augen der anderen die Hörner und den Schweif erhielt, die ihm zuzukommen schienen. Nur war dem nicht so. Diese Attribute kamen ihm nicht zu. Er war keineswegs ein Ungeheuer, wie ihr plötzlich bewußt wurde. Er war nur ein Mann. Der falsche Mann.
»Victor würde sich stets gut um die Kinder kümmern«, sagte sie.
»Hat Mr. Cressy irgendwann gegen die eheliche Treue verstoßen?« fragte Ed Gerber plötzlich.
»Meines Wissens nicht.«
»Hat er stets gut für Sie gesorgt, ökonomisch?«
»Ja.«
»Ihnen und seinen Kindern
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