Sag mir, wo die Mädchen sind
Chats, unter anderem bei Suomi 24 , wo der Thread bereits einmal unterbrochen worden war, und im Homma-Forum der Migrationsgegner. Das Eröffnungsposting lautete überall gleich: «Ich bin Heini K., 29 Jahre. Am Freitag wurde ich in meiner eigenen Wohnung von dem 22 -jährigen Samir A. vergewaltigt, einem muslimischen Flüchtling aus Bosnien. Ich war so verrückt, ihn einzulassen, weil er bedauernswert war und jemanden suchte, der Serbokroatisch konnte. Ich kann es. Es ist fast dieselbe Sprache wie Bosnisch.» Die Nachricht endete mit einer Beschreibung dessen, was der Vergewaltiger der Frau angetan hatte. Der Nickname lautete in jedem Forum anders, das Kürzel HeiniK tauchte in keinem auf.
Ich rief Heini an, erreichte aber nur ihren Anrufbeantworter. Nachdem ich eine Rückrufbitte hinterlassen hatte, setzte ich mich mit dem diensthabenden Internetpolizisten in Verbindung, der mit den Moderatoren der Chats die Legalität der Postings abklären sollte. Mehr konnte ich im Moment nicht tun.
Nachdem ich Taneli, der inzwischen vom Training zurück war, etwas zu essen gemacht hatte, bat ich Iida, ein Stück mit mir spazieren zu gehen. Die Sonne schien, trotz des Schnees lag Frühling in der Luft, und in den Bäumen sangen die Meisen. Jahnukainen lag schlafend auf der Terrasse und öffnete nur träge die Augen, wenn ihm ein Vogel zu nahe kam, während Venjamin mit der Nachbarstochter spielte und dem Stöckchen, das sie schwenkte, nachjagte, als wäre er noch ein Katzenjunges. Auch bei ihm machte sich der Frühling bemerkbar.
«Danke, Iida, dass du mir von dieser Internetsache erzählt hast», fing ich an, nachdem wir die ersten Schritte gegangen waren. «Ohne dich wäre die Geschichte immer weiter durch die Foren gewandert. Heini war bestimmt nicht ganz klar im Kopf, als sie ihr Posting geschrieben hat.»
«Das hat sich längst weiter verbreitet, auf Messenger war auch die Rede davon. Manche schreiben, sie würden den Täter zusammenschlagen, wenn er freigelassen wird. Was hat Heini davon? Alle wollen immer nur Rache, Rache. Irgendwer hat im Internet geschrieben, wir sollten von den Moslems die Blutrache übernehmen.»
Die Sonne schien mir direkt in die Augen und ließ sie tränen. Ich verstand Iidas Sorge und Wut. Sie war in der Pubertät und hatte die klare, schwarz-weiße Welt des Kindes endgültig hinter sich gelassen. Andererseits schienen heutzutage viele Erwachsene freiwillig zum Schwarz-Weiß-Denken zurückzukehren. Es war so leicht, andere abzustempeln, in Schubladen zu stecken und stolz die eigenen Vorurteile zur Schau zu tragen, auch wenn die Wirklichkeit ihnen widersprach.
«Längst nicht alle Muslime glauben an die Blutrache. Und wir brauchen uns diesen Blödsinn erst recht nicht anzueignen.»
«Vielleicht hat Vati recht: Alle Religionen sind schlecht», seufzte Iida dramatisch. Wir waren inzwischen im Zentrum von Kauniainen angekommen und kauften am Kiosk Salmiak. Iida mochte die schärfste Sorte am liebsten. Ich wusste, dass meine Tochter weder Noors Ermordung noch Heinis Vergewaltigung vergessen würde. Das Einzige, was ich tun konnte, war, bei ihr zu sein, ihr zuzuhören und ihre Fragen zu beantworten, so gut es ging.
Am Montagmorgen sah ich auf dem Diensthandy, dass Ruuskanen dreimal und Koivu einmal angerufen hatte. Von Koivu war außerdem eine SMS gekommen: «Ruuskanen hat es in die Schlagzeilen geschafft. Ich habe die Zeitungen hier im Ermittlungsraum, komm vor der Morgenbesprechung vorbei und sieh sie dir an. Pekka.»
Ich hatte den Wecker so spät gestellt wie nur möglich, und jetzt drängte die Zeit. Offenbar hatte Ruuskanen mich angerufen, weil er mich bei der Morgenbesprechung dabeihaben wollte, aber warum hatte er keine Nachricht hinterlassen? Ich brauchte nur eine Viertelstunde, um mich anzuziehen, Kaffee zu trinken, ein Brötchen zu essen und die Zeitung durchzublättern. Die Fahrt mit dem Rad nahm lediglich fünf Minuten in Anspruch, allerdings hätte mich beinahe eine über Nacht zugefrorene Pfütze trotz Winterreifen zu Fall gebracht.
Als ich das Präsidium betrat, nahm Kollege Akkila in der Eingangshalle gerade eine Anzeige auf. Im Vorbeigehen hörte ich, dass man dem Betroffenen in der letzten Nacht ein Fenster eingeworfen hatte. Das fiel nicht in das Tätigkeitsfeld meiner Zelle.
Im Ermittlungsraum roch es nach Kaffee, und Puupponen packte gerade ein mit Käse belegtes Baguette aus.
«Ich hab mich heute für ein gesundes Frühstück entschieden! Hast du die Zeitungen schon
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