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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Dolmetscherin sei krank und sie daher frühestens am Dienstagnachmittag verfügbar, wenn ihr Mann sich um das Kind kümmern könne.
    Die Geschichte klang so absurd wie vertraut: Wie häufig verzögerten sich Ermittlungen wegen irgendeiner Kleinigkeit, die einen Rattenschwanz weiterer Probleme nach sich zog.
    Die Ärztin, die Samir behandelte, hatte nicht viel zu berichten. Der junge Mann sei immer noch in psychotischem Zustand und nicht ansprechbar. Er liege nur reglos da, müsse intravenös ernährt werden und gehe nicht einmal zur Toilette.
    «Wir probieren es jetzt mit einem anderen Medikament.»
    «Gibt es bei Ihnen jemanden, der Bosnisch oder eine verwandte Sprache spricht? Es wäre nämlich gut, wenn sich die Klinik mit Amirs Eltern in Verbindung setzen könnte.»
    «Auf der Kinderstation haben wir eine Schwester, die Serbokroatisch spricht. Vielleicht findet sie ja auch besser Zugang zu dem Patienten als die finnischen Pflegekräfte.»
    Koivu und Puupponen machten sich auf den Weg, um die Vernehmung der Ezfahanis fortzusetzen. Unterdessen vergiftete ich mir die Seele, indem ich die Chats las, die der Nickname HeiniK in Gang gesetzt hatte. Nach einer Weile verwandelte sich der psychische Ekel allmählich in körperliche Übelkeit, und mir ging auf, dass ich Hunger hatte. Ich rief Taskinen an und fragte, ob er mit mir essen gehen wolle, aber er war bei einer Besprechung in Tikkurila. Also löffelte ich meine Gemüsesuppe in Gesellschaft der Kollegen von der Wirtschaftskriminalität, die mich unbedingt zu einer Wette über die Ergebnisse der Eishockeyspiele am nächsten Abend überreden wollten. Espoo Blues war in Gefahr, bei den Play-Offs auszuscheiden, was für zwei der Ermittler einer Katastrophe gleichzukommen schien, während Kantelinen, der aus Turku stammte, sich diebisch freute.
    Im Bus nach Tapiola telefonierte ich mit meiner Mutter, die am Mittwoch zu uns kommen wollte. Petri, der Mann meiner Schwester Helena, hatte angeboten, seinen Kleintransporter so auszustaffieren, dass mein Vater darin liegen konnte, aber meine Mutter zweifelte an der Qualität der Federung. Als ich den Mädchenclub erreichte, stellte ich fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war, obwohl die ersten Kurse und Arbeitsgruppen erst um vier Uhr beginnen sollten. Ich trat ein und hörte zwei Frauen aufgeregt miteinander reden.
    «Aber das hat Ayans Mutter zu mir gesagt!»
    «Solltest du das nicht der Polizei mitteilen? Die Mutter hat doch behauptet, nicht zu wissen, was mit Ayan passiert ist.» In der zweiten Sprecherin erkannte ich Nelli Vesterinen.
    «Guten Tag», sagte ich laut und trat ein wie der Deus ex machina in einer alten Oper, der am Ende erscheint, um alles umzukehren und die Toten aufzuwecken. «Was sollte man der Polizei erzählen, Miina?» Bei meinem Anblick zuckte die junge Frau zusammen. Sie trug ein knöchellanges weißes Strickkleid mit einer Kapuze, die ihre Haare verdeckte. Nervös schob sie die Kapuze zurück und antwortete:
    «Ich habe gestern im Einkaufszentrum Sello zufällig Ayans Mutter getroffen und sie gefragt, ob sie etwas von Ayan gehört habe. Sie hat gesagt, ich solle verschwinden und ihr nie wieder unter die Augen treten. Angeblich ist Ayan wegen mir weggegangen, weil ich schlecht und schmutzig bin. Ich habe keine Ahnung, was sie damit meint.»

[zur Inhaltsübersicht]
    18
    I hr wart also kein Liebespaar?», fragte ich Miina, die sich die Worte von Ayans Mutter Aisha nicht erklären konnte.
    «Nein! Abgesehen davon, dass Freundinnen sich natürlich liebhaben.» Ihre hellen Augen blickten mich fragend an, die Wimpern waren so weiß, dass sie sich kaum von der Haut abhoben. «Warum sollte jemand Ayans Mutter einreden, wir hätten eine Liebesbeziehung? Wer würde so was tun?»
    «Vielleicht hat Aisha nur etwas falsch verstanden. Hat sie ausdrücklich gesagt, sie wisse, wo Ayan ist?»
    «Nein, aber sie hat gesagt, Ayan wäre meinetwegen weggegangen.»
    Der Polizei gegenüber hatte Aisha behauptet, nichts über Ayans Verschwinden zu wissen. Das war offenbar eine Lüge gewesen. Ich rief mir unser Gespräch in Erinnerung. Zuerst hatte sie hoffnungsvoll gefragt, ob Ayan gefunden worden sei, dann hatte meine Frage, ob ein männliches Familienmitglied das Mädchen getötet haben könnte, sie verstummen lassen. Bald darauf war Ayan vorübergehend in Vergessenheit geraten, weil wir uns auf den Mordfall Noor Ezfahani konzentrieren mussten.
    «Hat sie gesagt, Ayan sei gegangen oder weggeschickt worden? Und hat sie

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