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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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mit Weggehen Ayans Ausreise gemeint – oder ihren Tod?»
    «Ich weiß es nicht. Ayans Mutter spricht nicht besonders gut Finnisch. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was sie gemeint hat.»
    « Hat sie dich angesprochen?», wollte ich von Miina wissen.
    «Nein, sie hat eher versucht, mir aus dem Weg zu gehen.»
    Miina war in den Supermarkt gegangen, um Spülmittel zu kaufen, und hatte dort Aisha Muhamed Ali gesehen, die einen Einkaufswagen schob. Bisher war Miina ihr erst zweimal begegnet, als sie Ayan zu Hause besucht hatte, was nur möglich war, wenn keiner von den Männern da war. Damals hatte die Mutter den Mädchen Tee serviert und war sehr freundlich gewesen. Umso weniger hatte Miina mit dem Wutausbruch im Supermarkt gerechnet.
    «Sie hat erst aufgehört, als sie merkte, dass die Leute uns anstarrten, und ein Mann mich fragte, ob ich Hilfe brauche. Wahrscheinlich dachte er, Aisha würde sich gleich auf mich stürzen. Wer hat ihr bloß diesen Floh ins Ohr gesetzt? Ich bin nicht lesbisch, auch wenn manche Idioten meinen, im Mädchenclub wären alle Lesben.»
    Ich lachte auf. Es war überall dasselbe. Wenn Frauen ihre eigenen Zirkel bildeten, konnte es sich nach Ansicht der Voreingenommensten nur um Lesbennester handeln, während wohl niemand auf die Idee verfallen wäre, zum Beispiel den noblen Finnischen Club, wo Frauen nur zu seltenen Anlässen Zutritt hatten, als Schwulenverein zu betrachten.
    Die Tür ging auf, kalte Luft wehte herein, und dem Windstoß folgte Heini Korhonen. Sie ging seltsam gebückt und ließ den Blick unruhig hin und her schweifen. Sie trug die Kleider, die ich am Freitagabend aus ihrem Schrank genommen hatte und die inzwischen nach Schweiß rochen. Nelli Vesterinen lief sofort zu ihr und umarmte sie, doch Heini erwiderte die Geste nicht, sie stand nur da, ließ die Arme hängen und starrte auf etwas, das für uns unsichtbar war. Miina sah mich entsetzt an.
    «Hallo, Heini. War es wirklich eine gute Idee herzukommen?», fragte ich. Als Nelli ihre Kollegin losließ, erkannte auch sie, dass etwas nicht stimmte.
    «Du siehst echt krank aus. Du hast doch frei, also ruh dich aus. Wir kommen schon zurecht! Ich hatte gerade mit Miina besprochen, dass sie deinen Literaturkreis übernehmen kann. Sie kennt den Gedichtband, den du ausgesucht hast.
Ich bin ein Mädchen, wunderbar!
So heißt er doch, oder?»
    «Nicht nötig. Es ist wie bei einem Reitunfall, am besten steigt man gleich danach wieder in den Sattel.» Heini versuchte zu lächeln, was noch schrecklicher aussah als die apathische Miene, die sie bis dahin zur Schau getragen hatte.
    «Hast du schon mit Sylvia gesprochen? Zum Glück hat sie unsere Mailingliste nicht gesehen, sonst hätte sie längst an der Strippe gehangen.»
    «Nein. Warum sollte ich? Das ist Privatsache.»
    «Sylvia weiß also nichts?», rief Nelli.
    «Sie ist wahrscheinlich noch bei ihrem Freund in Hamburg», mischte ich mich ein.
    «Bei Friedrich Wende», sagte Nelli, doch Heini reagierte nicht. Sie setzte sich auf den nächsten Stuhl und gab keinen Mucks von sich. Der Schweißgeruch, der ihren Kleidern entströmte, wurde immer aufdringlicher. Die Kriminaltechniker hatten ihre Untersuchungen bereits am Samstag abgeschlossen, also konnte Heini ohne weiteres saubere Kleidung aus ihrer Wohnung holen. Allerdings wollte ich sie ungern allein gehen lassen.
    «Sylvia mag es nicht, wenn man ihr etwas verschweigt. Und da du krankgeschrieben bist …», fuhr Nelli fort.
    «Davon mache ich keinen Gebrauch», murmelte Heini. «Hier bin ich sicher. Das Buch liegt im Pausenraum, ich muss Kopien von einigen Gedichten machen.» Sie blieb jedoch sitzen und blickte an uns vorbei wie eine Blinde.
    «Hör mal, Heini», sagte Miina resolut. «Wie wäre es, wenn ich dich jetzt nach Hause bringe? Ehrlich gesagt, stinkst du. Wie lange läufst du schon in den Klamotten rum?»
    Da Heini keine Antwort gab, sagte ich, dass ich die Kleider am Freitagabend für sie ausgewählt hatte. Miina drängte zum Aufbruch, konnte sich aber nicht durchsetzen, denn Heini behauptete stur, sie sei in Ordnung. Sie stand langsam auf und ging zum Pausenraum. Ich wollte sie nicht mit weiteren Fragen quälen. Wenn sie Arbeit für die beste Therapie hielt, sollte es mir recht sein. Nelli und Miina würden wohl mit ihr zurechtkommen. Miina versprach, Heini im Anschluss an den Literaturkreis nach Hause zu bringen und bei ihr zu bleiben, falls nötig. Darauf erklärte ich, als Nächstes zu Ayans Mutter zu fahren und

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