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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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abzuklären, was sie mit ihren Vorwürfen gemeint hatte.
    Nelli Vesterinen begleitete mich nach draußen. Sie schloss die Tür hinter sich, bevor sie sagte:
    «Ich habe hin und her überlegt, wie das Posting auf unsere Mailingliste geraten konnte. Heini hat bei ihrem Bruder übernachtet. Das ist einer von diesen … sogenannten Migrationskritikern. Vielleicht hat er die Passwörter irgendwie aus ihr rausgeholt. Er war von Anfang an nicht begeistert von Heinis Job. Die beiden sind sehr unterschiedlich.» Nelli kramte in ihren Manteltaschen. «Verdammt, ich hab kein Kaugummi mehr. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, als ich hier anfing. Sylvia hat gesagt, ich wäre genau die Richtige für den Mädchenclub, aber eine Raucherin würde sie nicht einstellen, weil ich den Mädchen ein Vorbild geben soll. Ab und zu habe ich allerdings immer noch wahnsinnig Lust auf eine Zigarette. Hast du vielleicht Kaugummi dabei?»
    «Nein, aber Salmiakbonbons.» Die Schachtel vom Kiosk in Kauniainen steckte noch in meiner Handtasche.
    «Na ja, besser als nichts.»
    Ich bot Nelli an, gleich zwei zu nehmen. Sie steckte eins in den Mund und ließ das andere in der Tasche verschwinden. «Oder Heini war völlig durcheinander und hat den Text selbst geschrieben, und jetzt erinnert sie sich nicht daran oder schämt sich, es zuzugeben. Immerhin war das Posting ein schlimmer Patzer. Mal sehen, ob sie den Abend übersteht, ohne dass ich die Rettung alarmieren muss. Tschüs!»
    Nelli kehrte in den Club zurück, und ich machte mich auf den Weg ins Zentrum von Tapiola. An einer Fußgängerampel musste ich stehen bleiben. Während ich auf Grün wartete, hielt ein Bus an der Haltestelle nebenan, und Tuomas Soivio stieg aus. Er wurde rot, als er mich erkannte, kam aber trotzdem zu mir. Gemeinsam überquerten wir die Straße.
    «Wie geht es dir, Tuomas?» Der junge Mann sah aus, als hätte in seinem Kopf irgendwer das Licht ausgeschaltet.
    «Beschissen. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich so fühlen würde.»
    Was er sagte, kam mir bekannt vor, Heini hatte fast genau denselben Ausdruck verwendet. Ich sagte ihm nicht, dass die Zeit Wunden heilt, denn das hätte er mir doch nicht geglaubt.
    «Ljungberg, mein Anwalt, sagt, du wärst ein Biest, das Schlimmste, was ihm je über den Weg gelaufen ist», fuhr Tuomas fort. Seine Stimme überschlug sich. «Er meint, du willst mir unbedingt was anhängen und mich in den Knast bringen.»
    «Da hast du aber einen schlechten Verteidiger erwischt, wenn er es wirklich für möglich hält, dass du als Ersttäter für das, was du getan hast, eine Haftstrafe bekommst. Solltest du dir nicht lieber einen anderen suchen?» Wir kamen an einer Kebab-Pizzeria vorbei, die so intensiv nach Fleisch roch, dass Koivu sich garantiert sofort eine Doppelportion Döner geholt hätte. «Außerdem erhebe nicht ich die Anklage, sondern der Staatsanwalt. Ich bin nicht mal für die Ermittlungen zuständig, wie du wohl weißt.»
    «Die leitet der Vater von Miro Ruuskanen, oder?»
    «Genau. Du kennst Miro?»
    Tuomas wurde wieder rot. «Wir laufen uns manchmal in der Eishalle über den Weg, wenn Blues ein Heimspiel hat. Ist … Ich meine, wann wird Noor beerdigt? Kann ich da hingehen? Mir war gar nicht richtig klar, wie sehr ich sie geliebt hab. Ehrlich. Ich blödes Arschloch hab’s nicht kapiert.» Die Tränen schossen ihm in die Augen. Ohne meine Antwort abzuwarten, stürmte er davon. Ich ging über den Marktplatz zur Bushaltestelle, stieg in die Neunzehn, die gerade abfahren wollte, und hoffte, dass Aisha Muhammed Ali zu Hause war.
    Der Spielplatz vor dem Mietshaus in Suvela war voller Kinder, die gerade erst laufen gelernt hatten und in ihren raschelnden Allwetteranzügen im letzten Schnee spielten. Die Mütter standen etwas abseits und unterhielten sich in einem Finnisch, das mit fünf, sechs verschiedenen Akzenten gesprochen wurde. Es war kein einziger Vater dabei. Mir fiel eine Studie ein, von der ich im Herbst gehört hatte. Demnach fanden zwanzigjährige Frauen von heute Väter, die Erziehungsurlaub nahmen, unmännlich. Die Entwicklung schlug mitunter seltsame Bahnen ein.
    Ich nahm wieder die Treppe, obwohl der Aufzug seit meinem vorigen Besuch repariert worden war. Aus einer Wohnung roch es intensiv nach Bergamotte, eine Etage höher nach Zitronen. Ich klingelte bei Ayans Familie. Als niemand öffnete, beschloss ich, dass auch die Polizei immer zweimal klingelt, und drückte noch einmal auf den Knopf. Danach hörte ich Schritte in

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