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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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unterwürfig sind, erobern sie den ganzen Planeten. Denk doch mal daran, wie hart die finnischen Frauen für ihre Rechte gekämpft haben. Möchtest du etwa in der Burka herumlaufen? Möchtest du, dass deine Enkelinnen keine Schulbildung bekommen? Wenn wir denen nachgeben, fallen wir in die Steinzeit zurück. Sie sollen von mir aus herkommen, aber die Bedingungen stellen wir. Sie dürfen glauben, was sie wollen, aber sie sollen sich gefälligst an unsere Gesetze halten. Burkas und Schleier gehören verboten, und wer Beschneidungen vornimmt, muss ins Gefängnis. Bist du Feministin?»
    «Ja», antwortete ich. Was ich dachte, ging Heini zwar nichts an, doch ich wollte sie ins Netz treiben. Bisher war noch nichts ans Licht gekommen, wofür man sie unter Anklage stellen konnte, aber wenn sie ins Reden kam, würde sie vielleicht etwas sagen, das den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllte.
    «Wie kannst du dann anders denken als ich? Die Moslems wollen uns unsere Rechte nehmen. Du hast doch gesehen, wie es mir mit Samir ergangen ist. Er hat mir nicht geglaubt, als ich nein gesagt habe. Er hat nicht begriffen, dass in Finnland eine Frau mit einem Mann flirten und ihn sogar berühren kann, ohne ihm damit einen Freibrief zu geben. So sehen die das nämlich, und selbst wenn man sie ins Gefängnis steckt, tun sie es wieder, sobald sie können. Ich kämpfe für uns Frauen, für die finnischen ebenso wie für die eingewanderten. Mach endlich die Augen auf, Maria!»
    «Du hast also geflirtet und Samir berührt?»
    Heini war wachsam. «Das habe ich nicht gesagt. Ich habe dir lediglich erklärt, dass ich nein gesagt habe. Was behauptet Samir denn?»
    «Vorläufig gar nichts. Er ist noch nicht vernehmungsfähig. Offenbar hat Sara Amir dir erzählt, dass ihr Bruder sie belästigt.»
    «Wie wollt ihr das beweisen?»
    «Die bosnische Polizei hat Sara ausfindig gemacht. Sie ist unversehrt und geht in Bihac zur Schule. Aber Noor ist tot, und von Ayan Ali Jussuf fehlt jede Spur. Vielleicht hat sie sich das Leben genommen, weil sie aus ihrem Zuhause vertrieben wurde. Inwiefern nützt das eurem Plan? Du hast Ayans Mutter doch erzählt, ihre Tochter hätte eine Liebesbeziehung mit Miina Saraneva.»
    «Das hatte ich falsch verstanden.» Nun wandte Heini sich an Koivu. «Die beiden waren andauernd zusammen, und ich fand daran nichts Schlimmes. Ayan hat Miinas Haare gestreichelt und ihr arabische Kosenamen gegeben. Aber ich hatte gehört, was für Typen Ayans Brüder sind, und wollte nicht, dass sie in Schwierigkeiten gerät. Allah verdammt die lesbische Liebe nämlich noch schärfer als die Strenggläubigen in unserer lutherischen Kirche. Die Mädchen haben mir entsetzliche Dinge erzählt. Der Club ist ihre einzige Zuflucht. Wir müssen etwas tun …» Das letzte Wort war nur noch ein Seufzer, Heinis Eifer schien plötzlich erloschen zu sein. Koivu und ich schwiegen, obwohl wir Heini hätten auffordern müssen, über die Einzelheiten der Vergewaltigung zu sprechen, zu erklären, wie die Verletzungen entstanden waren.
    «Warum konnte Samir nicht vernommen werden?», fragte sie schließlich.
    Koivu sah mich an. Wir waren nicht berechtigt, sie über den Gesundheitszustand ihres Vergewaltigers zu informieren.
    «Was hat Samir nach dem Samenerguss getan? Dem Bericht der Streifenbeamten zufolge saß er neben der Balkontür und heulte, als du die Polizei eingelassen hast. Offenbar hat er dich irgendwann losgelassen, sonst hättest du mich ja nicht anrufen können.»
    «Ich erinnere mich nicht genau … Muss ich wirklich darüber sprechen?»
    «Du warst doch so begierig, dich für eure Sache aufzuopfern …», begann ich, doch Koivu funkelte mich wütend an. Wieder herrschte Stille, die nur von dem gelegentlichen Surren des Laptops unterbrochen wurde. Man hörte sogar die Uhr im Nebenraum ticken.
    «Ihr werdet das Video natürlich Sylvia zeigen, und dann verliere ich meinen Job», sagte Heini schließlich, wieder mit der Roboterstimme. «Und dabei hat alles nichts genützt. Ich habe mich mit Samir wirklich nicht wie eine Heldin gefühlt. Das Opfer hatte nichts Heroisches. Es war einfach nur schrecklich. Ich habe es gerade noch geschafft, im Internet etwas darüber zu schreiben, aber die Chats habe ich gar nicht mehr verfolgt. Eigentlich hatte ich auch Interviews geben wollen, aber ich kann es einfach nicht. Der Kerl hat mich zerstört, versteht ihr? Ich kann es nicht mehr ertragen, von einem Mann berührt zu werden, nie mehr. So viel zum Thema

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