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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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anderen Gründen. Aber eine Vierzehnjährige ist doch reichlich jung für Hormonpräparate.»
    «Immer noch besser, die Pille zu nehmen, als schwanger zu werden. Saras Schulbücher sind hier, mit denen könnte sie in Bosnien allerdings wenig anfangen.»
    Ich nahm Saras Kleiderschrank genauer in Augenschein. Die Winterkleidung fehlte völlig, auch Schuhe waren nicht vorhanden. Im oberen Schrankfach lagen Schlittschuhe in Größe sechsunddreißig, das billigste Modell aus dem Kaufhaus und stark abgenutzt. Wahrscheinlich waren sie gebraucht gekauft. Ein kleiner Stoffbeutel hinter den Schlittschuhen enthielt verspielte Unterwäsche für junge Mädchen. Schmuck oder Make-up fand ich im Schrank nicht, diese Sachen lagen alle in der Schreibtischschublade.
    An der Wand über Saras Bett hing ein Poster, das die spärlich bekleidete Shakira zeigte. Es sagte einiges über die religiösen Überzeugungen der Familie Amir aus. Aber dass das Poster noch dort hing, deutete auch darauf hin, dass die Familie, im Gegensatz zu Samirs Behauptung, Saras Rückkehr erwartete. War auf die Worte des verstörten jungen Mannes Verlass?
    Ich blätterte in den Schulbüchern. Sie enthielten zahlreiche Zeichnungen. Offenbar hatte Sara sich im Unterricht gelangweilt, denn sie hatte die Illustrationen übermalt oder am Seitenrand eigene Versionen hinzugefügt. Die Bücher gehörten der Schule und zirkulierten von einer Klasse zur anderen, doch da der Zeichenstil in allen Büchern einheitlich war, hielt ich es für begründet, die Bilder Sara zuzuschreiben. Im Geschichtsbuch entdeckte ich Herzchen, bei fast allen stand in der Mitte S & T. Auch im Englischheft, in dem Sara regelmäßig das Datum der Hausaufgaben eingetragen hatte, tauchten kurz vor Weihnachten die ersten Herzen auf. Im Mathematikbuch fand sich schließlich ein großes, von einem Pfeil durchbohrtes blutendes Herz, in dem Sara neben ihrem eigenen Namen auch den von T. ausgeschrieben hatte. Sara und Tommi.
    Ich war gerade auf dem Weg ins Wohnzimmer, um Aune Kämäräinen und Samir zu fragen, was sie über Saras Freund Tommi wussten, da klingelte mein Handy. Es war Iidas uralter Klingelton, das Lied von Pippi Langstrumpf, das ihr längst peinlich war. Da Iida während der Schulzeit nicht ohne Grund anrief, meldete ich mich. War sie womöglich krank geworden?
    Ich hörte sofort, dass etwas Schlimmes passiert war.
    «Du, Mutti, Anni hat mir eine SMS geschickt. Noor ist ermordet worden, unsere Freundin aus dem Mädchenclub. Wirklich! Man hat sie heute früh in Olari im Wald gefunden, im Schnee. Anni hat geschrieben, sie wäre mit ihrem eigenen Kopftuch erwürgt worden.»

[zur Inhaltsübersicht]
    5
    V ergeblich versuchte ich, Iida zu beruhigen, indem ich sagte, ihre Freundin habe sich bestimmt geirrt. Puupponen hatte sofort einen Laptop aufgeklappt und loggte sich gerade ins polizeiliche Intranet ein, wo die neuesten Fälle registriert wurden. Wenn tatsächlich ein Mord passiert war, würden wir die Nachricht auch in unserem Wagen vorfinden. Die Ermittlungen würde in diesem Fall natürlich das Gewaltdezernat unter Leitung von Markku Ruuskanen übernehmen.
    «Ich bin gegen halb fünf zu Hause. Ja, ich informiere mich. Mach dich bloß nicht verrückt», mahnte ich. Im Hintergrund bimmelte die Schulglocke, Iidas Pause war also zu Ende. Zum Glück galt während des Unterrichts striktes Handyverbot, es würde also kein ständiges Simsen mit Anni geben, das die Hysterie schüren konnte. Es drängte mich, zu meiner Tochter zu eilen, um sie zu trösten, doch das ging jetzt nicht. Iida hatte ein paarmal von Noor gesprochen, die einige Jahre älter und ihren Worten nach schön wie eine persische Prinzessin war.
    «Tatsächlich, hier ist eine Eins angegeben. Das Opfer ist eine junge Frau», sagte Puupponen. Er saß am Schreibtisch in der Frauenstube der Amirs, den Laptop auf den Knien. «Die Leiche wurde um zehn Uhr fünfzehn im Zentralpark hinter der Schule von Olari gefunden, und zwar von dem Rentner Juhani Huttunen, sechsundsiebzig, der seinen Hund ausführte. Die Tote wurde später als Noor Ezfahani identifiziert, sechzehn Jahre alt. Sie ist die Tochter einer iranischen Familie, die in Finnland Asyl bekommen hat, und ging in die zehnte Klasse im Gymnasium von Olari. Todesursache eins-drei, also Strangulierung.» Puupponens Stimme wurde immer aufgeregter, je weiter er las. «Was zum Teufel läuft hier ab?»
    «Ist schon jemand verhaftet worden?»
    «Nein.»
    Die Leiche war vor etwa vier Stunden

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