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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Vielleicht konnten diejenigen, die Kerzen an den Fundort von Noors Leiche gebracht oder an der Gedenkfeier im Mädchenclub teilgenommen hatten, ihre Trauer dadurch in kleine Stücke aufspalten, über die sie im Lauf der Zeit hinwegkommen würden.
    Während meiner Abwesenheit hatte Tuomas Soivio sich beruhigt. Puupponen hatte das Gespräch auf das Eishockeyspiel zwischen den Mannschaften Blues und Kärpät gelenkt, das der junge Mann sich am nächsten Tag ansehen wollte. Puupponen war bei der Espooer Polizei der einzige Fan der Mannschaft KalPa, kannte sich aber offenbar auch bei den Espoo Blues besser aus als der durchschnittliche Zuschauer. Soivio schien eher aus Höflichkeit zu antworten, das Spiel interessierte ihn momentan nur am Rande.
    «Kommen wir noch einmal auf den Dienstagabend zurück», mischte ich mich ein, als Puupponen gerade die Frage aufwarf, ob Blues das Heimspiel mit einem oder zwei Toren Vorsprung gewinnen würde. «Noor wollte also nach Tapiola fahren, um sich mit dir zu treffen. Welches Verkehrsmittel hätte sie normalerweise benutzt?»
    «Das Flugzeug! Was für eine Frage – von da kommt man doch nur mit dem Bus weg. Sie hat den Dreizehner, den Neunzehner oder den Hundertfünfundneunziger genommen, je nachdem, welcher als Erster kam.»
    «Ist sie immer an derselben Haltestelle eingestiegen?»
    «Weiß ich nicht so genau», meinte Tuomas. «Wahrscheinlich schon.»
    Der Zentralpark lag weit ab von Noors Fahrstrecke. Da sie nur von wenigen gesehen worden war, nachdem sie das Haus verlassen hatte, erschien es plausibel, dass sie schon bald darauf in ein Fahrzeug gestiegen war. Keiner der Ezfahanis besaß einen Wagen, aber Noors Vater und ihr Onkel hatten Zugang zu LKWs. Wir mussten bei der Speditionsfirma nachfragen, wo sich die Laster befanden, wenn sie nicht in Betrieb waren … Ich stoppte den Gedankengang, es stand mir nicht zu, mich in Ruuskanens Arbeit einzumischen. Allerdings würde ich die Frage ansprechen, wenn wir uns am nächsten Morgen trafen.
    Ich öffnete meine Aktentasche und nahm drei Fotos heraus. Als erstes zeigte ich Tuomas das Bild von Ayan Ali Jussuf.
    «Kennst du das Mädchen?»
    «Warum sollte ich?» Er hatte kaum einen Blick auf das Foto geworfen.
    «Kennst du sie?»
    «Nein! Wer ist das?»
    «Ayan Ali Jussuf. Sie war auch gelegentlich im Mädchenclub. Und dieses Mädchen?» Nun war Sara Amirs Foto an der Reihe. Tuomas sah es genauer an, bestritt aber, das Mädchen je gesehen zu haben.
    Als ich ihm das Foto von Aziza Abdi Hasan zeigte, reagierte er völlig anders als bei den beiden ersten Bildern. Er wirkte verblüfft, sagte aber wieder, er habe das Mädchen nie gesehen. Warum ich ihm die Fotos zeigte, verriet ich ihm nicht. Es erschien mir seltsam, dass er nicht einmal Ayan gekannt hatte. Zwar waren die Religion und der Mädchenclub die einzigen Verbindungsglieder zwischen Noor und ihr, doch laut Heinis Aussage hatte Noor von Ayans Verschwinden gewusst.
    Es gab für uns keinen Grund, Tuomas Soivio länger festzuhalten. Er rief seinen Vater an, damit er ihn abholte. Puupponen versprach, so lange zu warten und Tuomas’ Vater bei der Gelegenheit zu fragen, wo sein Sohn den Dienstagabend verbracht hatte.
    Ich hätte den Wagen gern am Präsidium stehen gelassen und wäre zu Fuß nach Hause gegangen, aber ich wusste nicht, ob Antti ihn am nächsten Morgen brauchte. Es war wieder kälter geworden, auf den Pfützen hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet, die unter den Reifen zerbrach. Vor unserem Haus blieb ich eine Weile stehen und lauschte dem Summen der Stadt. Am Himmel standen einige blasse Sterne, die sich gegen die Lichter der Stadt nicht behaupten konnten, obwohl sie viel größer waren als Espoo. Es kam nur darauf an, von wo aus man sie betrachtete. Ich hoffte, den Mord an Noor Ezfahani aus einer Perspektive betrachten zu können, in der mein Urteilsvermögen nicht durch störende Lichter beeinträchtigt wurde.

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    H ältst du mich für blöd, Kallio?» Kommissar Ruuskanens nasale Stimme entwickelte eine ungewohnte Lautstärke. «Natürlich habe ich abgeklärt, ob Farid und Reza Ezfahani die Möglichkeit hatten, einen LKW ihres Arbeitgebers außerhalb der Arbeitszeit zu nutzen. Die Antwort ist nein. Das sind große Lastwagen, für die auf der Parkfläche eines normalen Mietshauses nicht einmal Platz wäre. Die Wagen werden in der Speditionszentrale abgestellt. Sie unterliegen strengen Hygienevorschriften, weil sie zum Transport von

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