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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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wurde? Ich könnte eigentlich eine kleine Dienstreise nach Bihac machen, um das zu klären. Anu kommt ein paar Tage allein mit den Kindern zurecht.»
    «Mach lieber eine Dienstreise nach Suvela, zu Saras Familie. Mal sehen, ob sie sich freuen, wenn sie hören, dass das Mädchen gefunden wurde.»
    «Ich habe bisher vergeblich versucht, sie zu erreichen. Na gut, dann fahre ich einfach hin. Kommst du mit, oder soll ich Ville mitnehmen?»
    «Letzteres. Ich habe was anderes zu erledigen. Wenn Saras Mutter sich weigert, mit euch zu sprechen, besuche ich sie morgen.»
    Ich ging in mein Dienstzimmer und überlegte, welchen Ton ich gegenüber Vala anschlagen sollte. Am besten machte ich mir wohl seine eigene Taktik zu eigen und gab mich barsch. Er meldete sich beim ersten Klingeln, als hätte er das Telefon in der Hand gehalten und auf meinen Anruf gewartet.
    «Vala. Was ist, Kallio? Hast du Sehnsucht?»
    «Ja. Was hast du heute Abend vor? Ich muss gleich nach Hause und nachsehen, ob mein Vater ärztliche Behandlung braucht, aber später am Abend könnte ich noch mal zurückkommen.»
    «Was schlägst du vor?»
    «Komm um acht zum Präsidium. Ich erwarte dich am Eingang.»
    «Klingt gut», sagte Vala in einem Ton, als hätte ich ihm gerade wilden Sex versprochen. Vielleicht sollte ich mich für das Treffen so anziehen wie in Afghanistan, möglichst dunkle und verhüllende Kleidung tragen und ein Tuch um den Kopf binden. Für den Abend war Schneeregen vorhergesagt, ein guter Grund für die Kopfbedeckung.
    Ich googelte nach Aziza Abdi Hasan, doch die einzigen passenden Treffer waren die Zeitungsberichte über Noors Ermordung, in denen die verschwundenen Mädchen erwähnt wurden. Über Omar Jussuf fanden sich zahlreiche Informationen, und als ich mich in das mit Euro- und Interpol verbundene Intranet der Polizei einloggte, gewann ich allmählich ein Bild von einem der skrupellosesten Rauschgifthändler der Welt, dessen Geschäftsverbindungen von Nordafghanistan bis weit nach Europa reichten. Er hatte sich nicht auf den heißen Drogenmarkt in Russland gedrängt, sondern setzte sein Heroin vor allem in den Ländern des ehemaligen Warschauer Pakts und in Skandinavien ab. Omar Jussuf war sechsundfünfzig, die Anzahl seiner Ehefrauen nicht bekannt, aber er hatte sechs Söhne. Töchter wurden in dem Bericht nicht erwähnt.
    Ich hätte mich mit der staatlichen Sicherheitspolizei in Verbindung setzen und fragen müssen, ob es Erkenntnisse über eventuelle Kontakte Omar Jussufs in Finnland gab, doch ich beschloss, egoistisch zu sein und zuerst mit Vala zu sprechen. Es gab viele Berührungspunkte, und ich war sicher nicht die einzige finnische Polizistin, die davon wusste, aber ich war die einzige, die fast einer Bombe am Straßenrand zum Opfer gefallen wäre. Unser Wagen hatte den Konvoi anführen sollen, doch der Zufall hatte es anders gewollt. Das würde ich nie vergessen.
    Mein Vater lag im Wohnzimmer auf dem Teppich, und Taneli las ihm aus
Harry Potter und der Stein der Weisen
vor. Ob das ein wirksames Medikament war, wusste ich nicht. Iida kochte Tomatensuppe, weil ein Invalide ihrer Meinung nach warmes, aber leichtes Essen brauchte. Meine Mutter hatte mir bereits sechs SMS geschickt. Das schwere Bücherregal im Wohnzimmer war von der Wand weggerückt. Dahinter lag tatsächlich eine beschämende Menge Staub, aber die Putzwut meines Vaters schien mir dennoch übertrieben.
    «Kannst du dich überhaupt nicht bewegen?»
    «Ich schaffe es auf allen vieren zum Pi… aufs Klo. Gehen kann ich nicht, das tut zu weh.»
    «Du hast gesagt, du hättest Schmerztabletten genommen.»
    «Zwei Burana, die Packung war in der Jackentasche, und die Jacke hing zum Glück über dem Stuhl. Das Wasser habe ich aus der Katzenschüssel genommen, hoffentlich werde ich davon nicht noch schlimmer krank.»
    «Ich tu dir Schmerzgel auf den Rücken. Ein Arzt kann dir wohl nicht helfen?»
    «Das Einzige, was hilft, ist Zeit. Musste das ausgerechnet jetzt passieren?»
    Ich verrieb die Salbe auf seinem Rücken, er ertrug es stoisch. Schwierig wurde es erst, als Iida versuchte, ihn mit der Suppe zu füttern. Sie verstand natürlich nicht, was für schlimme Schmerzen ihr Opa hatte und welche Bewegungen für ihn unmöglich waren. Ein ordentlicher Schluck Whisky hätte den Schmerz gedämpft, aber Schnaps und Tabletten waren für einen alten Mann eine gefährliche Kombination. Ich kochte Risotto mit Trompetenpfifferlingen für alle und dazu für Taneli Würstchen, denn er

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