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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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nachgab und ich die Männer retten musste. Am liebsten hätte ich die Tür aufgerissen und den Kerlen in meiner Eigenschaft als Polizistin verboten, ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
    «Viele meiner Bekannten sind sogenannte gebildete Menschen, hochqualifiziert und wohlhabend. Sie wählen die Konservativen oder die Finnlandschwedische Partei, manche lassen sich auch dazu hinreißen, ihre Stimme den Grünen zu geben. Es würde ihnen nicht im Traum einfallen, die ‹Wahren Finnen› zu wählen. Sie sind der Ansicht, dass Finnland durchaus noch mehr Migranten aufnehmen könnte, vor allem solche, die Arbeit suchen, aber auch Asylanten. Und sie können den Zuwanderern auch selbst Arbeit anbieten. Welche Nationalität ein Anstreicher oder eine Putzfrau hat, spielt keine Rolle, wenn sie nur ehrlich sind. Aber Freundschaft wollen sie mit Ausländern nicht schließen. Die kommen aus einer ganz anderen Welt, sagen sie. Unsere Welt darf die Migranten verändern, aber sie sollen unsere Welt nicht erschüttern. Was meinst du dazu, Kommissarin?»
    Bevor ich die Frage beantworten konnte, klingelte mein Handy. Der Anruf kam von meinem Vater, der schon am Bahnhof sein musste, denn sein Zug nach Joensuu fuhr bald ab. Vielleicht wollte er sich nur für das Nachtquartier bedanken. Ich entschuldigte mich, stand auf und meldete mich.
    «Vater hier. Mir ist was Dummes passiert.»
    «Hast du den Zug verpasst?»
    «Nein! Heute Vormittag, so gegen elf, habe ich versucht, euer Bücherregal zur Seite zu rücken, um dahinter staubsaugen zu können, und mein verdammter Rücken – es ist wohl ein Hexenschuss. Zum Zug hätte ich es nicht geschafft. Ich liege bei euch auf dem Fußboden und fluche vor mich hin. Immerhin habe ich Schmerztabletten gefunden.»
    «Um Himmels willen! Taneli hat heute bis zwei Uhr Schule, er ist als Erster zu Hause. Ich versuche, möglichst bald zu kommen. Sollten wir dich zum Arzt bringen?»
    «Da hilft kein Arzt. Aber du könntest Sachen für einen kalten Umschlag mitbringen.»
    Im Gefrierschrank lag Kühlgel, in meinem Zimmer das Tuch für Umschläge. Ich würde Taneli erklären müssen, wo er die Sachen fand. Die Männer auf dem Eis waren ungefähr im Alter meines Vaters; sie waren zum Glück inzwischen zur Einsicht gekommen und näherten sich dem Ufer. Ich versprach, nach Hause zu kommen, sobald ich konnte, vielleicht schon um drei. Sylvia Sandelin hatte inzwischen, ohne mich zu fragen, meinen Suppenteller aufgefüllt.
    «Schlechte Nachrichten?», fragte sie. Ich gab ihr einen Kurzbericht, sie lachte auf: «Ja, wir vergessen manchmal, dass wir nicht mehr jung sind. Mir tut auch mitunter alles weh, nur weil ich es im Fitnessstudio übertreibe. Man lernt es wohl nie. Probier mal von dem Kornbrot, das ist Mojcas kroatische Spezialität.»
    «Ist sie auf der Suche nach Arbeit oder als Flüchtling nach Finnland gekommen?»
    «Ihre Familie ist damals hierhergezogen, als Jugoslawien zerfiel. Die anderen sind längst zurückgekehrt, aber Mojca wollte hierbleiben. Sie ist ausgebildete Hauswirtschaftslehrerin, aber ich zahle ihr mehr, als der Staat ihr bieten kann. Zum Teil kann ich das ja von der Steuer absetzen. Mal sehen, wann die chronisch Neidischen auf die Idee kommen, auch diesen kleinen Vorteil abzuschaffen und zugleich Hunderte arbeitslos zu machen.»
    Die Quappensuppe schmeckte hervorragend, ich aß die zweite Portion und hörte mir amüsiert Sylvia Sandelins gesellschaftspolitische Auffassungen an. Sie schien davon auszugehen, dass ich sie teilte. Vielleicht betrachtete sie die Polizei als Institution, die das Gesellschaftssystem aufrechterhielt. Ihrer Ansicht nach war Finnland eine Scheindemokratie und das herrschende Gleichberechtigungsideal eine bloße Illusion.
    «Aber diejenigen, die von Geburt an mit weniger Talent begabt sind, schieben die Schuld prinzipiell auf die Gesellschaft. Möchtest du als Dessert lieber Kaffee oder Tee?»
    Ich hätte aufbrechen müssen, lehnte den Kaffee aber nicht ab. Es war starker Espresso, wie in einem italienischen Restaurant, dazu gab es eine offenbar handgemachte Praline. Wir einigten uns darauf, dass Frau Sandelin im Mädchenclub erzählen würde, warum Noor gestorben war, obwohl das ohnehin bereits alle wussten.
    «Tuomas hat für seine Dummheit auch einen Tadel verdient. Na, immerhin besser, dass er seine fünfzehn Minuten Berühmtheit bekommen hat, ohne wirklich jemanden zu verletzen. Heini war außer sich über seine Aktion, sie hatte ihm mehr Verstand zugetraut. Ich habe

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