Sag nie, nie wieder
rieb sich übers Kinn. Allmählich wuchs ihm ein Bart, wenn er sich nicht bald rasieren würde. Gestern Abend hatte er sich am Stadtrand ein Zimmer in einem schäbigen Hotel nehmen wollen. Doch es war nicht dazu gekommen. Am Abend hatte er vor einer Bar auf einen Ex-Sträfling gewartet, war jedoch im Wagen eingeschlafen. Fünf Stunden später war er mit Genickstarre aufgewacht. Den Ex-Sträfling, der eine Verbindung zu Leonid Pryka haben sollte, hatte er nicht gesehen.
Er hatte mit anderen gesprochen, doch niemand wusste etwas, und niemand konnte ihm helfen. Auf der Straße hatte man angeblich nichts davon gehört, dass ein Mordauftrag gegen Melissa Robbins erteilt worden war. Leonid Pryka, ihr ehemaliger Wohltäter, schien sich vor ihrer Aussage nicht gefürchtet zu haben. Alle glaubten, er, Connor, wäre derjenige, der Melissa Robbins' Leben ein Ende bereitet hatte.
Je mehr er sich umhörte, desto schuldiger stand er da.
Wieso deutete alles darauf hin, dass er ein Verbrechen begangen hatte? Es musste sich um eine Falle handeln. Um darauf zu kommen, brauchte er keinen Doktortitel. Er musste allerdings herausfinden, wer dahinter steckte, sonst würde er für den Rest seines Lebens in einer Zelle landen.
Leider hatte er seine Möglichkeiten fast schon ausgeschöpft.
Und nach dem heutigen Tag zog er es sogar schon in Betracht, dass er vielleicht doch der Täter war.
Von Anfang an hatte er die Robbins nicht gemocht. Sie war zu viel von allem gewesen, was er nicht mochte. Zu blond, zu vollbusig, zu aufdringlich. Ihre unvernünftigen Forderungen hatten ihn gereizt. Nein, sie wollte kein Fast Food. Und sie beklagte sich über die Unterbringung.
Connor hatte sie in dem kleinen Haus am Ufer des Potomac untergebracht, in dem Marc vor einem Jahr Melanie zu ihrem Schutz versteckt hatte. Die Robbins war dort ungestört, und wegen der einsamen Lage war nach zwei Tagen kein großer Aufwand zu ihrem Schutz mehr nötig gewesen. Nur zwei Marshals waren dort rund um die Uhr geblieben, einer nahe beim Haus, der andere weiter weg.
Connor rieb sich den Nacken und kniff wegen der grellen Scheinwerfer eines entgegenkommenden Wagens die Augen zusammen. Wieso hatte Melissa Robbins Haare von ihm an den Händen gehabt? Es war keine Frage, woher die Bundesanwaltschaft wusste, dass es seine Haare waren. Garantiert war seine Wohnung bereits durchsucht worden. Dort gab es Haare im Bad und auf dem Kopfkissen. Aber das erklärte nicht, wieso seine Haare an die Hände des Mordopfers gelangt waren.
Er hatte viele Feinde. Vermutlich freuten sich alle, mit denen er zu tun gehabt hatte, über seine bevorstehende Verhaftung.
Niemand von ihnen hätte ihm jedoch diese Falle stellen können.
Zeugen in einem Schutzhaus wurden schließlich gut bewacht.
Das wusste er am besten.
Gab es Feinde in der eigenen Truppe? Ihm fiel kein einziger ein.
Außer den Marshals hatten nur noch Mitglieder der Bundesanwaltschaft Zugang zu den Zeugen, allerdings auch nur begrenzt. Dazu kam, dass auch das keinen Sinn ergab. Schob man ihm die Schuld zu, hieß das noch lange nicht, dass Pryka von jedem Verdacht reingewaschen wurde.
Manchester tauchte vor ihm auf. Gewitterwolken zogen von Westen herauf und wurden von den letzten Sonnenstrahlen beluchtet. Connor bog von der Hauptstraße auf eine Schotterstraße ab, die durch Gerards altes Tabakfeld führte. Er durfte nicht durch die Stadt fahren. Leute hätten ihn dort sehen können. Und das Hauptgebäude auf dem McCoy-Besitz kam auch nicht infrage.
Er wollte zu dem alten Haus seines Großvaters McCoy fahren, das jenseits des neuen McCoy-Besitzes stand. Das Grundstück von fünfzig Hektar hatte er für sich behalten und nicht an Mitch verkauft, als er im letzten Sommer Pops ausgezahlt hatte. Über die Gründe dafür hatte er nie so richtig nachgedacht.
Wie lange war er schon nicht mehr dort gewesen? Vor dem Tod seiner Mutter war er oft mit dem Fahrrad hingefahren.
Nach ihrem Tod hatte er sich dorthin zurückgezogen, wenn er mit seinen Gedanken allein sein wollte oder ein Problem hatte.
Dort hatte er den Frieden gesucht, um den ihn seine Brüder gebracht hatten.
Als er vierzehn war, hatte Pops schließlich seinen Zufluchtsort entdeckt. Seither war er nicht mehr dort gewesen. Er wusste nicht mal genau, ob das alte Haus überhaupt noch stand.
Dieses Haus hatte er stets als sein Eigentum betrachtet. Und er hatte gern die Stufen oder Fenster und die Wasserpumpe repariert. Dort war sein Vater zur Welt gekommen und
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