Sag niemals nie
routiniert
gelangweilt im Takt zur Musik, dass ihnen fast anzusehen war, wie lange sie
die Pose vor dem Spiegel geübt hatten.
Beverly deutete auf einen Tisch
in der Nähe des Notausgangs, an dem noch ein Platz frei war. »Setz dich
ruhig«, sagte er zu Vanessa und setzte sich selbst auf die Tischplatte. »Ich
weiß ehrlich gesagt sowieso nicht, wie viel ich davon noch ertrage.«
Vanessa presste die Lippen
aufeinander und ließ sich auf den Platz fallen. Was sollte das denn heißen?
Dass es ihm hier nicht gefiel? Dass er nicht bei ihr einziehen wollte? Dass er
sie nicht mochte? So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt. Eigentlich
müssten sie jetzt nebeneinander in einer lauschigen Ecke sitzen, immer wieder
versehentlich mit Knien und Ellbogen aneinander stoßen und sich immer toller
finden, während sie gleichzeitig so taten, als würden sie Dan beim Singen
zuhören.
Vielleicht lag es daran. Dan
sang nicht. Bloß das Publikum.
fehl ich
dir? fehlst du mir? ich weiß schon, ich weiß, darum geht's gar nicht.
das mit uns
war ein bisschen wie rasen mähen - hat gut ausgesehen und gut gerochen, war
aber voll anstrengend
Dan drückte sich mit einer Hand
den Bauch und röchelte in das Mikro, das er so fest umklammerte, dass seine Knöchel
weiß hervortraten. Seine Augen waren rot unterlaufen und er schnappte mit
aufgerissenem Mund nach Luft wie ein sterbender Fisch. Ein Fisch, der wie der
King von MTV Raps angezogen war, in abartigen Baggys und schaurigen Sneakers,
mit eklig verschwitzten Haaren und einem schlecht rasierten Nacken.
Tja, da sieht er mal, was
passiert, wenn wir nicht zusammen sind, schoss es Vanessa einen flüchtigen,
zufriedenen Moment lang durch den Kopf. Andererseits sah Dan so erbärmlich
aus, dass es fast peinlich war zuzugeben, dass sie ihn überhaupt kannte. Sie
sah verstohlen zu Beverly rüber. Er knabberte an seinen Nagelhäutchen und
wackelte mit dem Fuß wie jemand, der auf den Bus wartet.
In diesem Moment dröhnte
unverkennbar das Geräusch von hervorquellendem Erbrochenen aus den Lautsprechern
und Dan taumelte mit dem Mikro in der Hand von der Bühne. Die Band spielte noch
lauter, während man Dan im Hintergrund würgen hörte.
Bäääh! Supereklig.
Vanessa berührte Beverly am
Ellbogen. »Vielleicht sollten wir gehen«, sagte sie entschuldigend. Irgendwie
kam es ihr zwar fies vor, Dan hinter der Bühne seinem Schicksal zu überlassen,
wo sie sich doch bis vor kurzem noch so nahe gewesen waren - andererseits
wollte er ja unbedingt Rockstar sein. Außerdem war er womöglich schon von einer
Meute sexy blonder Raves-Groupies umringt, die ihm mit einem kühlen, feuchten
Tuch die Stirn abtupften und ihm löffelweise Mineralwasser einflößten. Er
brauchte sie nicht mehr.
Beverly nickte und rutschte vom
Tisch. »Meine Freunde vom Pratt Institute machen seit März eine Party, hast du
Lust, mal vorbeizuschauen?«
Er streckte ihr die Hand hin, und Vanessa bemerkte plötzlich, dass vom
Mittelfinger der linken Hand das letzte Glied fehlte. Iiih?!
Sie bemühte sich, nicht hinzuschauen, und ließ sich von ihm vom Stuhl
ziehen. Wenn Dan doch wenigstens noch mal so lange auf die Bühne zurückkommen
würde, um zu sehen, wie sie mit einem anderen Typen den Club verließ. Aber es
war sowieso viel zu voll, als dass er seine ExFreundin inmitten des Gedränges
hätte sehen können, und außerdem war er anderweitig beschäftigt.
Wieder drangen aus den Boxen
gurgelnde Kotzgeräusche, in denen die Musik der Raves fast unterging.
Kleiner Tipp, Alter: Wir wissen
ja alle, wie sehr du an deinem Mikro hängst, aber leg es doch nächstes Mal
bitte einen Moment aus der Hand, wenn du reihern musst, okay?
französische
ohren hören anders
Zu Dans Glück hatten die übrigen Raves genug Selbstvertrauen
und Humor, um sich nicht davon stressen zu lassen, dass sich ihr neuer Sänger
wenige Meter von der Bühne entfernt gerade die Seele aus dem Leib kotzte. Sie
überspielten Dans kleinen Schwächeanfall musikalisch, trennten unauffällig die
Verbindung zu seinem Mikro und stimmten dann einen alten Raves-Hit an, den er
noch nie gehört hatte.
Babycakes, you make my eyes scream
Lick the drips, then toss the cone
a-waaayee
Kein Wunder, dass sie einen
Songschreiber gesucht hatten.
Die Menge tobte und grölte das
Lied mit überbordender Begeisterung mit. Dan blieb, den Kopf zwischen den
Knien, hinter der Bühne sitzen und versuchte, sich daran zu erinnern, wie er
überhaupt hier gelandet war. Wie war aus
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