Sag niemals nie
neununddreißig zu haben sein... vielleicht in Mexico City oder
Hongkong, wo man ja eher kleine Füße hatte.
Neben ihr hackte Vanessa Abrams
wie eine Furie auf ihre Tastatur ein. Wahrscheinlich designte sie gerade eine
feministische Website oder so was. Blair warf einen verstohlenen Blick auf den
Nachbarbildschirm. »SUCHE MITBEWOHNERIN«, stand dort in fetten Großbuchstaben.
»ANFRAGEN VON MÄNNERN ZWECKLOS«.
Blair hatte ihre geschorene,
schwarz gekleidete, Kunstfilme drehende Klassenkameradin nie sonderlich sympathisch
gefunden. Wenn Vanessa in der Schule überhaupt etwas von sich gab, hatte es
immer einen Unterton von Ichrede-bloß-mit-dir-weil-du-mich-etwas-gefragt-hast,
so als fühle sie sich allen, einschließlich den Lehrern, haushoch überlegen.
Außerdem war sie jetzt anscheinend lesbisch geworden.
»Ich hab mich am Wochenende mit
so einem Typen getroffen, der bei mir einziehen wollte, und der hat sich als
der totale Psycho entpuppt.«
Blair drehte erstaunt den Kopf
und stellte fest, dass Vanessa mit ihr zu reden schien.
»Deshalb hab ich jetzt
beschlossen, nur mit einer Frau zusammenzuziehen.« Vanessa klickte entschlossen
auf die Eingabetaste.
Blair presste die Lippen
zusammen und rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. Irrtum
ausgeschlossen. Vanessa redete eindeutig mit ihr. »Ich hab am Wochenende auch
jemanden kennen gelernt«, entfuhr es ihr plötzlich. Sie biss sich auf die Lippe
und zeigte mit dem Kinn auf Vanessas Bildschirm. »Wieso willst du überhaupt,
dass jemand bei dir einzieht? Ich würde alles dafür geben, allein wohnen zu
können.«
Vanessa zuckte mit den Achseln.
Es war schon ungewöhnlich genug, dass sie sich überhaupt mit dieser ver-
zickten Blair Waldorf unterhielt, aber noch viel ungewöhnlicher war, dass
Blairs Frage sie nachdenklich machte.
»Naja, meine Schwester tourt
zurzeit mit ihrer Band in Europa. Keine Ahnung... vielleicht ist es mir einfach
ein bisschen zu einsam so.« Es war ihr herausgerutscht, bevor sie es verhindern
konnte. Scheiße! Wieso schüttete sie ausgerechnet jemandem wie Blair Waldorf
ihr Herz aus?
»Was ist denn mit deinem
Freund... diesem Hippietypen?« Blair stockte und korrigierte sich hastig. »Dem
Typen mit dem... Notizbuch.«
»Wir haben Schluss gemacht.«
Blair nickte. Sie war versucht,
Vanessa zu erzählen, dass sie mit ihrem Freund auch gerade Schluss gemacht
hatte und sich auch manchmal einsam fühlte. Sie musterte sie aus dem
Augenwinkel. Irgendwie fand sie es gut, dass Vanessa ihr nicht gleich die ganze
Geschichte in allen traurigen Einzelheiten erzählte: was für ein Loser ihr Ex-
Freund war, was für Scheißsachen er ihr immer geschenkt hatte und wie dämlich
er immer ausgesehen hatte, wenn er sich die Schuhe zugebunden hatte. Vanessa
war zwar eine komische Trulla, aber wenigstens nicht langweilig. Es war an der
Schule allgemein bekannt, dass ihre Eltern in Vermont lebten, und wenn ihre
Schwester jetzt in Europa tourte, war sie wahrscheinlich wirklich ziemlich
allein.
»Und wie läuft das ab?«,
erkundigte sie sich. »Machst du so richtige Bewerbungsgespräche mit den
Interessenten?«
Vanessa wunderte sich etwas
über Blairs plötzliche Anteilnahme.
»Na ja, zuerst klopfe ich sie
per MSN ein bisschen ab, und wenn sie normal klingen, treffe ich mich
persönlich mit ihnen. Aber bis jetzt war niemand Normales dabei.«
Blair fasste es zwar selbst
nicht, dass sie tatsächlich ernsthaft daran dachte, die sonderliche
Glatzen-Emanze Vanessa zu fragen, ob sie bei ihr einziehen konnte, aber sie
brauchte nun mal dringend ein Zimmer. Ihr Zuhause war unerträglich, und nach
ihrem Gespräch mit Mrs M heute Morgen war sie sich ziemlich sicher, dass sie
ihre Chancen in Yale endgültig ruinieren würde, wenn sie den Rest des
Schuljahrs weiter im Plaza blieb. Die Frage war natürlich, was sie machen
sollte, wenn sie... Besuch bekam. Aber eine Wohnung ohne Eltern, Kinderfrauen,
Haushälterinnen oder Köchinnen war das ideale Liebesnest, selbst im
abgewrackten Williamsburg. Vielleicht konnte sie Vanessa sogar dazu überreden,
einen Designer zu engagieren, um die Zimmer etwas farbenfroher streichen zu
lassen. Nicht dass Blair je bei ihr zu Hause gewesen wäre, aber sie ging seit
ungefähr hundert Jahren mit Vanessa zur Schule und ahnte, dass die Wohnung ein
schwarzes Loch sein würde. Sie konnte sie ja vielleicht komplett umstylen, so
wie Au- drey Hepburn in »Ein süßer Fratz« von der grauen Buchhändlerinnen-Maus
in ein Top-Mannequin
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