Sag niemals nie
verwandelt worden war!
»Nimm mich doch als
Mitbewohnerin«, schlug sie vor.
»Aber...« Vanessa starrte sie
an. »Ich wohne in Brooklyn.«
Blair spielte an ihrem
Rubinring. »Ich weiß.« Sie seufzte, blickte traurig auf ihre schwarzen
Lackleder-Ballerinas, schloss die Augen und sah sich in einer neuen Rolle als
hippe, szenige W T illiamsburgerin. Sie würde ausgewaschene grüne
T-Shirts mit ironischen Sprüchen anziehen: »Williamsburg - Stadt der Liebe«.
Sie würde ihren Kaffee schwarz trinken. Sie würde Converse All Stars ohne
Socken tragen und sich eine violette Plastikhandtasche aus dem Secondhand-Shop
zulegen. Sie würde sich orange Strähnchen färben lassen und eine schwarze
achteckige Brille tragen. Sie würde Falafel essen. Sie würde Gedichte schreiben.
Sie würde sich ein Lippenpiercing und ein Tattoo stechen lassen! Und Nate würde
tot umfallen, ha! Über ihr Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus.
»Ich wollte immer schon in Brooklyn wohnen.«
Ja klar.
»Nein, du...«, wollte Vanessa
einwenden, aber Blair ließ sie gar nicht weiterreden.
»Du hast doch Kabelfernsehen,
DVD-Player und einen digitalen Videorekorder, oder?«
Sekunde mal - wer befragt hier
eigentlich wen?
»Ich kann ohne meine Filme
nämlich nicht leben«, erklärte Blair, als sei sie eine alte Frau, die nur
ihren Fernseher hat und ohne ihre tägliche Dosis »Friends« und »SATC« eingehen
würde.
»Filme?«, wiederholte Vanessa
entgeistert und fragte sich, ob Blair jetzt endgültig den Verstand verloren
hatte. Sie hatte ganz vergessen, dass Blair ein totaler Fan von alten
Schwarz-weiß-Filmen war. Letzten November hatte sie sogar an einem
Filmwettbewerb der Schule teilgenommen. Dabei hatte sie nichts weiter gemacht,
als die ersten zehn Minuten von »Frühstück bei Tiffany« jeweils zu verschiedenen
Soundtracks laufen zu lassen, weil es sich ihrer Meinung nach um die besten
zehn Filmminuten aller Zeiten handelte. Vanessa hatte sich mit der Verfilmung
einer Szene aus »Krieg und Frieden« beteiligt, in der ihr damals noch bester
und jetziger Ex-Freund Dan Humphrey als sterbender Prinz Andrej mitgewirkt
hatte. Das war gewesen, bevor sie sich überhaupt je geküsst hatten, und schien
ein Jahrhundert her zu sein.
»Alle Filme mit Audrey Hepburn,
James Stewart, Gary Grant oder Lauren Bacall«, zählte Blair auf. »Und dann natürlich
Vom Winde verweht<.«
Wenn es etwas gab, das Vanessa
im Überfluss besaß, dann waren das Kameras, Fernseher, Videos und DVDs. »Keine
Sorge, ich studiere ab nächstem Semester an der NYU Film. Ich bin bestens
ausgerüstet«, versicherte sie Blair. »Und ich hab natürlich alle Klassiker.«
»Und wie kommen wir zur
Schule?«, erkundigte sich Blair, die sich plötzlich fragte, ob sie womöglich
den Führerschein machen musste. Sie schaute auf ihren Computerbildschirm und
schob die Maus herum, um den Eindruck konzentrierter Arbeit zu vermitteln.
»Muss man da nicht über irgendeine Brücke fahren?«
Da Manhattan eine Insel ist,
scheint das sehr wahrscheinlich, ja.
Vanessa entschloss sich, Geduld
mit ihr zu haben, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass Blair Waldorf
wirklich in ihrem abgeranzten, mit Graffiti besprühten
Mietshaus in Brooklyn mit Blick
auf andere abgeranzte, mit Graffiti besprühte Mietshäuser wohnen wollte. »Der
L-Train fährt bis zum Union Square und danach steigt man in die Sechs um.«
Hm?
Blair runzelte die Stirn.
Redete sie etwa von der U-Bahn?
»Wenn das Wetter echt mies ist
oder ich spät dran bin, ruf ich mir manchmal auch ein Minitaxi«, räumte Vanessa
ein.
Ah!
»Und es macht dir nichts aus,
wenn... du weißt schon... Besuch kommt?«
Etwa Männerbesuch?
Vanessa lachte. »Solange er
nicht stinkt und was zu essen mitbringt.«
Blair nickte ernst. Bald würde
sie eine eigene Wohnung haben, in der sie sich ausschweifendem Sex mit Stan 5
oder jedem anderen beliebigen Typen hingeben konnte, und sie würde sich in das
sexieste, meistgepiercte und -tätowierte Mädchen von ganz Williamsburg
verwandeln. Nate würde vor Kummer den Verstand verlieren. »Also ich könnte mir
gut vorstellen, mit dir zusammenzuwohnen, du auch?«
Vanessas Blick wurde starr.
»Aber wir hassen uns doch«, sagte sie sachlich.
Blair verdrehte die Augen und
stupste Vanessas rundes weißes Knie mit ihrem gebräunten knochigen Knie an.
»Ach, sei doch mal ein bisschen tolerant!« Sie kicherte und spürte, dass sie
sich allmählich für ihre neue Rolle als Vanessas hippe
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