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Sag niemals STIRB

Sag niemals STIRB

Titel: Sag niemals STIRB Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Pfund. Sie hätte ihn niemals abwehren können. Ich … ich reagierte einfach. Ich zog ihn von ihr und stieß ihn zu Boden. Er sprang auf und schlug nach mir. Ich musste zurückschlagen. Als ich aufhörte, ihn zu schlagen, rührte er sich nicht. Ich drehte mich um und sah, was er mit dem Mädchen getan hatte. All das Blut …“ Er rieb sich die Stirn. „Dann tauchten andere Leute auf. Vietnamesen. Eine der Frauen kam zu mir, flüsterte, ich solle gehen. Sie würden die Leiche für mich beseitigen. Da begriff ich, dass der Mann tot war.“
    Lange saßen sie nebeneinander, berührten einander nicht, sprachen nicht. Er hatte gerade gestanden, einen Mann getötet zu haben, doch sie konnte ihn nicht verdammen. Sie empfand nur Traurigkeit wegen des Mädchens, wegen all der stummen, namenlosen Opfer des Krieges.
    „Was passierte dann?“, fragte sie sanft.
    Er zuckte die Schultern. „Ich ging. Ich sagte kein Wort zu irgendjemandem. Ein paar Tage später hörteich, dass die Leiche eines Soldaten auf der anderen Seite der Stadt gefunden worden war. Sein Tod wurde als Tat unbekannter Ortsansässiger geführt. Und das war das Ende der Geschichte. Dachte ich.“
    „Wie hat die Ariel Group es herausgefunden?“
    „Ich weiß es nicht.“ Ruhelos stand er und trat an das Fenster, blickte auf den schwach erleuchteten Rundgang hinaus. „Es gab ein halbes Dutzend Zeugen, alles Vietnamesen. Es muss sich herumgesprochen haben. Und irgendwie hat die Ariel Group Wind davon bekommen. Ich verstehe nur nicht ganz, warum sie so lange gewartet haben.“
    „Oder vielleicht haben sie auf die richtige Gelegenheit gewartet, um es zu benutzen.“ Er drehte sich zu ihr um. „Fällt Ihnen nicht auf, wie wir beide zusammengekommen sind? Dass wir uns rein zufällig in Kistners Villa getroffen haben? Dass Sie rein zufällig eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt brauchten?“
    „Und dass der Mann, den Sie suchen sollten, rein zufällig mein Vater war.“
    Er nickte.
    „Sie benutzen uns“, sagte sie und stand auf. „Sie benutzen mich.“
    „Willkommen im Club.“
    Sie blickte hoch. „Was tun wir dagegen?“
    „Am Morgen fliege ich nach Hanoi und stelle ein paar Fragen.“
    „Was ist mit mir?“
    „Sie bleiben da, wo Ainh auf Sie aufpassen kann.“
    „Klingt nach einem lausigen Plan.“
    „Haben Sie einen besseren?“
    „Ja. Ich komme mit Ihnen.“
    „Sie würden alles nur komplizieren. Falls Ihr Vater lebt, finde ich ihn.“
    „Und was passiert, falls Sie ihn finden? Werden Sie ihn ausliefern? Gegen Stillschweigen eintauschen?“
    „Ich habe das Stillschweigen aufgegeben“, sagte Guy ruhig. „Ich bin jetzt auf Antworten aus.“
    Sie hob ihren gepackten Koffer vom Bett und stellte ihn an die Tür. „Wieso diskutiere ich mit Ihnen? Ich brauche Ihre Erlaubnis nicht. Ich brauche von keinem Mann die Erlaubnis. Er ist mein Vater. Ich kenne sein Gesicht. Seine Stimme. Nach zwanzig Jahren werde ich diejenige sein, die ihn erkennt.“
    „Sie sind auch diejenige, die umgebracht werden könnte. Oder ist das ein Teil des Vergnügens, Junior? Der Nervenkitzel? Verdammt.“ Er lachte. „Es liegt wahrscheinlich an Ihren Genen. Sie sind so irre wie Ihr Vater. Er liebte es, wenn auf ihn geschossen wurde, nicht wahr? Er war süchtig nach Spannung,und Sie sind es auch. Geben Sie es zu! Sie haben die tollste Zeit Ihres Lebens!“
    „Sieh mal an, wer da spricht!“
    „Ich mache das nicht wegen der Spannung. Ich mache das, weil ich muss. Weil ich keine andere Wahl hatte.“
    „Keiner von uns hat eine andere Wahl.“ Sie wandte sich ab, aber er packte sie am Arm und zog sie zu sich herum. Er stand so nahe, dass es ihrem Nacken schmerzte, zu ihm hochzublicken.
    „Bleiben Sie in Saigon“, drängte er.
    „Sie müssen mich ja wirklich aus dem Weg haben wollen.“
    „Ich will Sie in Sicherheit haben.“
    „Warum?“
    „Weil ich … Sie …“ Er stockte. Sie sahen einander an, atmeten beide so heftig, dass sie nicht sprechen konnten. Ohne ein weiteres Wort zog er sie in die Arme.
    Es war nur ein Kuss, aber er traf sie mit solcher Wucht, dass ihre Beine wackelig wurden. Alles an Guy war rau – stoppelbärtiges Kinn und schwielige Hände und ausgefranstes Hemd. Automatisch schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn hart an ihren Mund. Er brauchte keine Ermutigung. Wenn sie es zuließ, würde es hier und jetztpassieren. Er schob sie schon Richtung Bett, und sie wusste, wenn sie auf die Matratze fielen, würde er sie nehmen, und sie würde es

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