Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
Geld, dass einen selbst ein alter Freund dafür töten würde. Im Endeffekt sind sie alle Kriminelle. Das sollten Sie bedenken. Wer mit den Haien schwimmt, wird früher oder später gefressen.«
»Wissen Sie, wo ich den Kerl finden kann?«
»Peluso?« Louise brach in ein lautes, derbes Gelächter aus, das ich nicht erwartet hatte, ein Lachen, das so wenig zu ihrem Auftreten passte, dass es verwirrend war. Ein kurzer Ausbruch, der so schnell verflog, wie sie ihn heraufbeschworen hatte.
Mit einem Kopfschütteln sagte sie: »Sind Sie nicht ganz bei Trost? Denken Sie, Sie können vor seiner Haustür auftauchen und anfangen, ihn mit Fragen zu löchern wie mich? Sind Sie nicht Lehrer? Sie spielen hier nicht ganz in Ihrer Liga.«
Dieses Mal beugte sie sich etwas weiter über den Tisch. »Diese Art Leute, die bringen Sie um, verstehen Sie? Wollen Sie, dass Ihre Mutter ihren Sohn und ihren Bruder innerhalb ein und derselben Woche beerdigen muss? Sie helfen uns, Ihren Onkel zu begraben und zur Ruhe zu betten. Dann fahren Sie zurück in den Norden und führen Ihr kleines Leben weiter und vergessen all dies. Sie haben eine Frau dort oben, oder nicht?«
Martha und ich hatten vor fast zehn Jahren in Maine in einer kleinen, stillen und privaten Zeremonie geheiratet, was bedeutete, dass das genau um die Zeit gewesen war, als sich Onkel und Louise die ersten Male trafen.
»Ja.«
»Also erledigen Sie, was Sie hier zu erledigen haben und dann gehen Sie heim zu ihr.«
»Hier geht es nicht um sie«, sagte ich. »Hier geht es um den Onkel.«
»Nein, geht es nicht. Es geht um Sie. Sie haben Ihre Erinnerungen an Paulie – gute wie schlechte – leben Sie damit.«
Sie blickte aus dem Fenster auf die Schneeflocken, während eine rebellische Träne über ihre Wange zu ihrer Kinnlinie lief und dort hing wie ein Regentropfen. »Das ist alles, was jeder Einzelne von uns tun kann.«
Nachdem Boone und ich uns getrennt hatten, machte ich mich auf den Heimweg. Das vordere Licht brannte, ebenso das über der Spüle in der Küche, also wusste ich, dass meine Mutter irgendwann heruntergekommen war und die Lampen für mich eingeschaltet hatte. Aber sie war schon lange wieder ins Bett gegangen. Stille erfüllte das Haus. Ich schleppte mich hinauf und sank ins Bett, aber ich konnte nicht einschlafen, lag die ganze Nacht wach, starrte auf die Muster an der Decke und merkte, wie die Gedanken und Ängste in meinem Kopf zu Endlosfilmschleifen wurden.
Stunden später saß ich auf dem Fensterbrett in meinem Schlafzimmer und sah zu, wie die Sonne aufging. Als sie am Himmel aufstieg, über dem nahen Meer leuchtete und auf unsere Welt herunterschien, erinnerte sie mich an eine vernarrte Mutter, die über ihre Kindern wacht, und vielleicht war dieser Vergleich gar nicht so unpassend. Aus irgendeinem Grund dachte ich erstmals seit Langem an meinen Vater. Bilder von ihm in seinen verknüllten Anzügen verfolgten mich, und ich überlegte, ob er je an mich dachte, an irgendeinen von uns. Aber derartige Gedanken erschienen irgendwie verräterisch, also hörte ich damit auf. Sie verblassten schnell.
Verschwanden, so wie er.
Nicht lange nach Sonnenaufgang hörte ich, wie Angela und unsere Mutter begannen, sich zu regen.
Als sich meine Tür wenige Augenblicke später öffnete, sah ich meine Mutter barfuß und in einem dünnen Bademantel dort stehen. Ihr Haar war ungekämmt und sie sah blass und abgekämpft aus ohne Make-up. Zwischen uns fand ein ganzes Gespräch statt, ohne dass einer von uns auch nur ein Wort sagte. Das Geräusch von Reifen auf dem Schotter in der Einfahrt lenkte mich ab. Ich sah aus dem Fenster hinter mir. Der Camaro stand mit laufendem Motor da, und ich konnte Onkel hinter dem Lenkrad erkennen. Eine Sonnenbrille verbarg seine Augen, und eine Zigarette hing in seinem Mundwinkel.
»Onkel und ich müssen Angie zum Arzt bringen. Wir sind bald wieder da.«
Ich nickte.
»Warst du im Bett, Andy?«
»Nicht wirklich.« Ich hörte ihre Füße über den Fußboden tappen, als sie auf mich zukam.
»Versuch, etwas zu schlafen, Liebling«, sagte sie und rieb mit ihren warmen Händen meinen Rücken. »Alles wird wieder gut. Angie ist in Ordnung, wir wollen nur sichergehen.«
Ich kehrte dem Fenster den Rücken, ging hinüber zu meinem Bett und setzte mich. Ich wusste, was jetzt kommen würde.
»Schau«, sagte sie, nachdem sie mir gefolgt war und sich neben mich gesetzt hatte. Ihre Augen wirkten wässrig und schlaftrunken. »Das ist für uns alle
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