Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
schwer, aber wir mussten ein paar Entscheidungen treffen wegen dem, was deiner Schwester passiert ist. Sehr schwierige Entscheidungen, verstehst du?«
»Ich glaube schon.«
»Das bleibt in der Familie, Andy. Dein Onkel kennt einen Arzt, der das diskret handhaben kann. Angie ist erst zwölf, das muss niemand erfahren.«
»Bei dir klingt es, als hätte sie etwas falsch gemacht.«
Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sich besser verständlich machen, dann schien sie zu verstehen, worauf ich hinauswollte. »Es bleibt in der Familie«, sagte sie schließlich entschlossen. »Ende der Diskussion.«
»In Ordnung.«
Sie entspannte sich ein wenig, berührte mein Knie und bemühte sich, zu lächeln. »Du musst jetzt stark sein, Andy. Du musst ein Mann sein. Wir müssen jetzt mehr denn je zusammenhalten, okay? Wir müssen aufeinander aufpassen. Nichts hiervon darf hinausdringen. Niemand darf irgendetwas hiervon erfahren. Nicht einmal Boone. Niemand . Wir machen einfach weiter und lassen es hinter uns, in Ordnung? Wenn wir darüber reden müssen, dann miteinander. Ich bin immer für dich da, das weißt du, und Onkel genauso. Aber niemand anderes darf es wissen, und das ist mein Ernst, Andy. Versprich es mir. Ich brauche dein Wort.«
»Und was ist mit Michael Ring? Er weiß es.«
Sie erstarrte wieder, die bloße Erwähnung seines Namens veränderte ihr ganzes Aussehen. Sie erhob sich mit einem dumpfen Seufzer: »Um den brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Werdet ihr der Polizei nichts sagen? Ihr könnt ihn nicht davonkommen lassen mit dem, was er getan hat.«
»Er bekommt, was er verdient.« Sie biss die Zähne zusammen, und ich konnte seitlich an ihrem Mund sehen, wie ihre Kiefer arbeiteten, als sie versuchte, ihre Wut zu unterdrücken. »Das geht Leuten wie ihm immer so.«
»Und wenn er es bekommt?« Ich wollte sie provozieren. »Bleibt das dann auch in der Familie?«
Ich versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, neugierig, ob Onkel ihr von meiner Weigerung erzählt hatte, zu kämpfen. Schließlich kam es darauf kaum noch an.
Meine Mutter trat zurück und hinterließ eine Kluft zwischen uns, die wir nie wieder vollständig überbrücken konnten. Die Entfernung, die an diesem Morgen durch den scheinbar einfachen Akt zwischen uns entstand, dass sie sich ein paar Schritte von mir fortbewegte, wurde zu einem Abgrund, der seither immer zwischen uns stehen sollte. Ein Hohlraum, in dem es nicht an Liebe und Zuneigung fehlte, aber an Verbundenheit, Solidarität, Verständnis und letztendlich Respekt.
Sie stand mit dem Rücken zu mir in der Tür meines Schlafzimmers. »Versprichst du es mir? Gibst du mir dein Wort, Andy?«
»Ja«, sagte ich. »Ich gebe dir mein Wort.«
Onkel wartete im Auto, bis Angela und meine Mutter eingestiegen waren. Ich sah zu, wie das Auto losfuhr und mehr als nur meine Familie mitnahm. Die gesamte Welt und fast alle, die mir am Herzen lagen, verschwanden an diesem Tag am Ende der Straße und wechselten hinüber an einen anderen Ort. Einen Ort, an den ich ihnen, wie ich glaubte, niemals würde folgen können. Alles hatte sich verändert. Die Wahrnehmung hatte sich verzerrt, die Realität geändert.
Und es gab nichts, das ich dagegen tun konnte.
9
Ich begleitete Louise schweigend zurück zum Blue Slipper .
Der Schnee fiel ebenso still um uns herum und hüllte die sonst so schäbige Gegend in vergänglichen Glanz. Es war ein Schwindel, der uns glauben machen wollte, wir seien an einem wundervollen Ort. Als wir uns dem Club näherten, drang das kaum hörbare Wummern der Musik aus dem Inneren nach draußen. Louise zögerte an der Vordertür und wandte sich zu mir um, mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie etwas von großer Bedeutung zu sagen. Doch am Ende schwieg sie, und wir standen beide eine Zeit lang stumm da, in einem Meer aus weißen Flocken und dampfendem Atem.
»Ich nehme an, ich sehe Sie heute Abend bei Ihrer Mutter«, sagte sie.
Ich streckte impulsiv die Arme nach ihr aus, legte sie um sie und drückte sie sanft an mich. Ich war vermutlich sogar noch überraschter darüber als sie, doch trotz meiner linkischen Ungeschicklichkeit schien es unter den gegebenen Umständen angemessen. Der Geruch ihres Parfüms war aus der Nähe noch aufdringlicher, und ihr Körper fühlte sich kalt an, unerwartet fragil und künstlich, fast wie eine Schaufensterpuppe.
»Auch wenn das nichts hilft«, flüsterte ich, »es tut mir leid.« Sie legte ihre Arme kurz auf meine Schultern, blieb
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