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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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aber steif, also ließ ich sie los und trat zurück.
    Ihre Mundwinkel kräuselten sich so minimal, dass ich nicht sicher war, ob es ein Lächeln oder Verachtung war. Sie verschwand wortlos durch die Vordertür des Clubs.
    Als ich über den Parkplatz ging, bemerkte ich gegenüber eine Telefonzelle. Ich ging rasch über die Straße und meine Füße planschten durch die neu entstandenen Pfützen aus Schneematsch. Von einer Ablage in der Zelle hing an einem dicken Metallseil ein zerfleddertes Telefonbuch. Ich blätterte darin, fand den Namen und die Adresse, nach denen ich suchte, und ging zurück zu meinem Auto.
    Ich folgte fast zehn Minuten lang einer kurvigen Straße, die abwechselnd durch ländliche Streckenteile mit einzelnen baufälligen Hütten und Gewerbegebiete mit kleinen Gruppen unabhängiger Werksgebäude hindurchführte, den Überresten aus der Zeit vor dem expansiven Wachstum der Innenstadt von Warden.
    Die Adresse, nach der ich suchte, lag in der Nähe des sprichwörtlichen Speckgürtels der Stadt. An einer kleinen Kreuzung bog ich in den schneebedeckten Schotterparkplatz eines Spirituosenladens ein, der schon da gewesen war, als ich noch ein Kind war. Gegenüber war ein Holzlager. An einer der anderen Ecken befand sich eine Bar mit Grill, an einer anderen eine Eisenwarenhandlung.
    Eine Neonbierreklame im Schaufenster des Spirituosenladens lenkte mich ab. In meiner Jugend hatte der Laden einem älteren Ehepaar namens McMullen gehört, aber sie waren vor Jahren gestorben, und das Geschäft war inzwischen in Warden Liquor umbenannt worden.
    An der Seite des Paketgeschäfts führte eine hölzerne Treppe hinauf zu der darüberliegenden einsamen Wohnung. Als ich klein war, hatte ein älterer Mann dort gewohnt, ein unglückseliger Alkoholiker namens Wiley. Drahtig, mit strähnigem, grauen Haar, war er in seinem Tarnanzug jeden Tag auf einem klapprigen Fahrrad von Bar zu Bar durch die Stadt gefahren. Ich erinnerte mich nicht deshalb an ihn, weil er häufig die Zielscheibe von Scherzen gewesen war, sondern weil ich ihn sogar damals faszinierend gefunden hatte. Immer allein und immer betrunken; meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass er ein Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg war, der im Krieg den Verstand verloren hatte, und dass er trotz seiner Probleme Respekt verdiente. Ich hatte mich immer gefragt, wie die ganze Geschichte wohl aussah, die hinter Wiley stand, hatte aber nie den Mut zu fragen, also musste sie für mich, wie vermutlich alle anderen auch, für immer ein Geheimnis bleiben.
    Links von der Vordertür des Spirituosenladens stand in schwarzen Zahlen 23. Ich ging an der Wand des Gebäudes entlang die Treppe hinauf bis zur Tür, wo in ähnlichen Zahlen 23 ½ zu lesen war. Hier hatte sich nicht viel verändert. Obwohl wir uns selten an dieses ferne Ende der Stadt verirrt hatten, sah das Gebäude in meiner Erinnerung genauso aus wie in meiner Jugend. Der einzige Unterschied war, dass Wiley nach all diesen Jahren längst tot und begraben war, und seine Qualen und seine Dämonen nur noch in der Erinnerung von Leuten wie mir existieren, von Leuten, die ihn gar nicht gekannt hatten. Und ironischerweise war diese winzige Wohnung über dem Spirituosenladen, wenn man dem Telefonbuch glauben durfte, jetzt das Zuhause von Desmond Boone.
    Drei Tage verstrichen, soweit es mich betraf, ereignislos.
    Meine Mutter nahm sich ein paar Tage frei, um sich um Angela zu kümmern, und ich vermute, auch in der Hoffnung, sich selbst wieder ein wenig sammeln zu können. Unser Haus nahm eine überirdische Atmosphäre an, wie ein Kloster, dessen Bewohner ein Schweigegelübde abgelegt haben und über dem beständig ein mystisches Gefühl der klösterlichen Abgeschiedenheit von der Außenwelt schwebt. Obwohl wir unserer Herkunft nach römisch-katholisch waren, hätte ich unsere Familie vor den Ereignissen dieses Sommers niemals als besonders religiös und unser Zuhause nicht als überdurchschnittlich spirituell eingestuft, aber in jenen Tagen nach dem Angriff auf Angela war ganz ohne Zweifel die Anwesenheit von etwas Göttlichem um uns herum zu spüren. Ich konnte es in der Luft fühlen, eine Wesenheit, ein Bewusstsein, dass etwas anderes bei uns war, etwas Allgegenwärtiges, das gewöhnlich unerkannt blieb, jetzt aber offenbar wurde. Und doch spürte ich keine wirkliche Verbindung dazu, als ob es in unserer Mitte lebte und doch unabhängig von uns wäre. Ein Zuschauer vielleicht, eine Art Wächter, der von irgendeinem anderen

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