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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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lehnte mein Fahrrad an eine Straßenlaterne und stieg die Treppe an der Seite des Gebäudes hinauf.
    Onkel reagierte sofort auf mein Klopfen an seiner Tür. Er stand in Boxershorts gleich hinter dem Eingang, sein sonst so perfekt sitzendes Haar war verstrubbelt. Er sah aus, als hätte er ein Bad nötig.
    »Andy«, sagte er überrascht bei meinem Anblick. »Was machst du hier? Ist alles in Ordnung?«
    »Nein … Nichts ist in Ordnung.«
    Er musterte mich von Kopf bis Fuß, dann trat er einen Schritt zurück, um mich hereinzulassen.
    Ich holte tief Luft und marschierte in sein bescheidenes Studio-Apartment. Abgesehen von einer Handvoll leerer Bierflaschen und einem überquellenden Aschenbecher auf einem Beistelltisch war es aufgeräumt und sauber. Sein Bett war noch nicht gemacht, aber er war ja auch gerade erst herausgekrochen, und die Jalousien waren heruntergelassen, sodass der Raum fast dunkel war. Obwohl er seit Jahren in dieser Wohnung lebte, hatte sie eine standardmäßige, unpersönliche Atmosphäre, die ich schon immer eigenartig gefunden hatte. Trotz seiner modischen Kleidung, seinem teuren Schmuck und seinem auffälligen Auto hatte Onkel nur wenige nennenswerte Besitztümer. Erst Jahre später wurde mir klar, dass seine Wohnung typisch für viele professionelle, alleinstehende, lebenslange Kriminelle war. Sie war nur mit den unentbehrlichsten Dingen ausgestattet, sodass er sie notfalls jederzeit aufgeben konnte, ohne mit Einrichtungsgegenständen belastet zu sein, die seinen Aufbruch verzögern könnten. Wie Onkel selbst in Zeiten intensiven Nachdenkens oder ernsthafter Probleme, war die Wohnung eigenartig düster – düster, einsam und traurig.
    Onkel kratzte sich die nackte Brust und knipste eine kleine Lampe an. Auf dem Nachttisch neben dem Bett lag eine Pistole, aber wir gaben beide vor, sie nicht zu sehen.
    »Also, was ist das Problem?«
    »Michael Ring ist verschwunden. Er ist schon seit ein paar Tagen nicht mehr da. Die Zeitungen sind voll davon: Junge spurlos verschwunden. In der ganzen Stadt sind Suchtrupps unterwegs. Sie suchen die Wälder und die Strände ab. Sie haben sogar die Nationalgarde gebeten, im Meer zu suchen, ob er vielleicht beim Schwimmen ertrunken ist.«
    Ich stand da und starrte ihn an. Und doch war ich derjenige, der sich fühlte wie eine Leiche, die im Wind schaukelt. Ich wünschte mir so sehr, ein Mann zu sein, nicht die Art Mann, die er sich vorstellte, aber doch Manns genug, um mich selbst unter Kontrolle zu halten, und versagte schon jetzt ganz kläglich. »Sie werden ihn nicht finden, nicht wahr?«
    »Das kann ich dir nicht sagen«, gab er zurück.
    »Sie werden ihn nicht finden, weil er tot ist.«
    Onkel zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Die Welt da draußen ist gefährlich, den Leuten kann alles Mögliche passieren. Aber selbst wenn er tot ist, wird die Welt nicht aufhören, sich zu drehen, nur weil dieser Scheißkerl abgetreten ist, Andy. Sieh mal, ein Fünfzehnjähriger, der es fertigbringt, über ein Kind wie Angie herzufallen, ist es nicht wert, dass man sich um ihn Sorgen macht. Wir wissen nicht, wie vielen Mädchen er das schon angetan hat oder wie vielen er das in Zukunft noch angetan hätte.«
    Etwas in seinen Augen veränderte sich, als ob ihm ein alter Witz eingefallen wäre. »Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen, vielleicht auch nicht. Wer kann das schon wissen? Aber wenn er tot ist, was soll’s? Wen kümmert das schon? Wir wissen, dass er eine Menge angerichtet hat, nicht wahr? Vielleicht hat er den falschen Kerl geärgert.«
    Ich nickte, hauptsächlich um einen klaren Kopf zu bekommen. »Bist du der falsche Kerl?«
    Er setzte sich auf die Bettkante. »Was willst du von mir, Andy?«
    »Die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit.« Er lachte leise vor sich hin. »Alle wollen immer die Wahrheit. Das Problem ist, dass niemand jemals weiß, was zum Teufel er mit der Wahrheit anfangen soll, wenn er sie erfährt.«
    Meine Antwort auf sein geringschätziges Lachen war keine Frage, und er wusste es. »Du hast es getan, nicht wahr?«

11
    Boone und ich fuhren schweigend durch die Stadt. Erinnerungen glitten an uns vorbei, verzerrt von Schnee und Eis auf der Windschutzscheibe. Ich war mir sicher, dass er sich, ebenso wie ich, den Kopf zermarterte, was er sagen könnte – egal ob bedeutungsloses Geplauder oder wesentliche Dinge –, aber wir wechselten kein einziges Wort, bis ich in die Einfahrt zum Smyth Park einbog. Dann hörte ich ihn in seinem Sitz herumrutschen und sah,

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