Saga von Dray Prescot 15 - Vallian-Zyklus 01 - Geheimnisvolles Scorpio
mich später plagen sollten, wie Sie hören werden.
Das zweite Ereignis wurde durch einen verwundeten Boten eingeleitet, der eines Abends durch das Tor wankte. Meldung war schnell erstattet – eine vertraute Geschichte. Während wir aufstiegen, unseren Tieren die Sporen gaben und in vollem Galopp durch das mächtige Tor der Burg ritten, wurde ich von einer qualvollen Unentschlossenheit ergriffen. Brachte ich es fertig, einen armen Ponshobauern niederzuschlagen, einen Chunkrahhirten, einen Voskzüchter – nur weil sie von dem teuflischen Makfaril und seinem Chyyanisten in die Irre geleitet worden waren? Wir ritten im Schein der rosagoldenen Monde durch die Nacht, und das Donnern der Hufe und das Knirschen und Klappern der Rüstungen war eine deutliche Warnung an alle, die in die Nacht lauschten.
Seg hatte einige Freunde in Vertrauensstellungen gesetzt, wobei er nach Möglichkeit Einheimische gewählt hatte. Hieraus ergab sich, daß diese Leute nun als unterer Adel verabscheut wurden. In einer Siedlung, die dreieinhalb Dwaburs entfernt an einem Nebenfluß des Großen Flusses lag, wurde Tarek Nalgre Lithisfer belagert und konnte nicht mehr lange durchhalten. Ein Tarek ist ein unterer Adelsrang, ein Titel, wie ihn ein Kov verleihen kann. Die Schwarzen Federn hatten sich offen gegen Tarek Nalgre erhoben, hatten die Scheunen seiner Bauern verbrannt und Frauen und Kinder getötet.
Wir schafften es, die Belagerer zu zerstreuen. In mein Bedauern mischte sich die tröstliche Erkenntnis, daß der harte Kern der Angreifer aus mehreren Banden von Drikingern bestand, denen wir heftig zusetzten. Segs Bogenschützen ließen ihre fürchterlichen Pfeile fliegen, seine Pachaks wirbelten ihre Schwanzhände, und die Klingen schimmerten im Licht der Monde. Ja, wir hatten leichtes Spiel mit den Banditen, weil sie von den einfachen Landleuten sofort im Stich gelassen wurden, als wir herangaloppierten. Aber die Arbeit machte mir keinen Spaß. Ich schildere den Vorfall, um deutlich zu machen, wie sehr die Unzufriedenen das Land schon aufgestachelt und sich durch ihr Bündnis mit den Schwarzen Federn in den Augen der gewöhnlichen Leute eine Art Ehrbarkeit zugelegt hatten. So ist es ja oft, Banditen bedienen sich des Jargons einer neuen, eifrigen Glaubensgemeinschaft, eines idealistischen revolutionären Anspruchs, und gebrauchen die Ehrlichen für ihre düsteren Zwecke.
Wäre der Chyyanismus eine ehrliche Religion gewesen, und hätte Seg tyrannisch regiert, dann wäre die Situation ganz anders gewesen. Nun sah es zwar so aus, als kämpfte ich mit den Reichen gegen die Armen – doch lag die Wahrheit ganz anders.
Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß Tarek Nalgre nichts geschehen war, kehrten wir nach Hause zurück, nicht ohne eine Wache zurückzulassen. Doch unser Zorn auf die Chyyanisten war geschürt. Der unmittelbare Anlaß für den Angriff war Tarek Nalgres Befehl gewesen, eine Sklavin freizulassen. Der Eigentümer des Mädchens hatte sich an die hiesigen Anführer der Chyyanisten gewandt, was dann die Brandschatzung und Morde ausgelöst hatte. Ich war in ziemlich übler Stimmung, als wir nach Falangur, Segs Burg, zurückkehrten, die Rüstungen ablegten und unsere Wunden untersuchten.
»Dieser Tarek scheint mir ein guter Kämpfer zu sein«, sagte ich später zu Seg.
»Ja. Ein sehr mutiger Mann, ehrlich und loyal.«
»Ein passender Kandidat für den Orden.«
Diese Worte schienen Seg zu freuen, denn er nahm seine Stellung im Orden sehr ernst.
»Wir müssen mit erfahrenen Männern beginnen. Erst wenn wir uns fest etabliert haben und eine Grundlage und den Beginn einer Tradition haben – wie können sich die Krozairs glücklich schätzen! –, erst dann können wir junge Burschen aufnehmen und ihnen die richtige Ausbildung zukommen lassen.«
»Wirst du denn überhaupt einen Krozairbruder finden, der bereit ist, den weiten Weg zurückzulegen und dann etwas zu tun, das er vielleicht als Bruch seines Eids ansieht?«
Über diese Frage hatte ich schon nachgedacht. »Es ist kein Verrat, wenn man jungen Männern beibringt, aufrecht und ehrlich zu sein und Respekt vor der eigenen Stärke zu haben. Auf Kregen wird viel zu sehr von den Starken auf die Schwachen eingeschlagen. Ich meine das allgemein. Ich glaube, wir sind beide zu zynisch für das reine Gerechtigkeitsdenken. Zuweilen muß ein Mann schon einen bösen Zug an sich haben, wenn er überleben will. Doch wenn mehr Leute mehr nachdächten und weniger zuschlügen, würde die
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