Saga von Dray Prescot 16 - Vallian-Zyklus 02 - Wildes Scorpio
verhielten sich gleichermaßen nach ihrem Naturell. Ich erfuhr, daß es hier Könige und Kriege und all die anderen häßlichen Auswüchse menschlicher Gier gab, wie auch die besseren menschlichen Eigenschaften, etwa Kunst und Liebe, Religion und Musik.
»Wollen wir singen?« fragte ich, als der Sandsturm sich ausgetobt hatte und die Sonnen wieder strahlend am kupfernen Himmel standen. Vor uns breitete sich das Grün eines fruchtbaren Landes aus.
Wir waren mitten im schönsten Gesang, als der Chavonth angriff.
Das Tier war ein großes Exemplar seiner Gattung, eine sechsbeinige Jagdkatze von unglaublicher Kraft. Das Fell war gesprenkelt von blauen, schwarzen und grauen Sechsecken, und die Barthaare waren gesträubt, die Reißzähne funkelten.
Heimtückisch sind die Chavonths. Er hatte sich sofort in meine arme Gnutrix verbissen. Das Tier ging kreischend in die Knie, sein Fell war von rasiermesserscharfen Krallen aufgerissen worden.
Ich ließ mich abrollen, löste meinen Krummsäbel aus der Scheide und führte einen kraftvollen Hieb gegen die springende Katze. Im letzten Augenblick vermochte ich auszuweichen, und der Chavonth prallte neben meinen Kopf ins Gras. Ich reagierte schneller als die Katze, so schnell, daß ich beinahe über sie hinwegsprang, und brachte den Säbel in einem schrägen Hieb herab. Die Klinge knirschte gegen die Halsknochen des Chavonths, der sofort heftig zu bluten begann. Das Tier schrie auf und fuhr herum, und die Klinge brach in der Mitte durch.
Einen Augenblick lang hingen wir zusammen, und die sechs Tatzen mit den spitzen Krallen klickten hinter meinem Rücken zusammen, während ich versuchte, den Kopf des Wesens von mir fernzuhalten. Fimi hatte aufgeschrien, und Naghans Gnutrix galoppierte in panischem Entsetzen davon. Für mich jedoch konzentrierte sich die ganze Welt auf den Kampf, bei dem der Chavonth und ich mit Muskelkraft die Oberhand zu gewinnen versuchten. Die Reißzähne tropften, die rote Zunge fuhr heraus. Ich drückte den Kopf zurück, und meine Muskeln verkrampften sich, das Blut stieg mir zu Kopf, und all die Wildheit, die in den letzten Tagen in mir unterdrückt worden war, wogte hellrot, bestialisch, tödlich empor.
So rollten wir umschlungen durch das zertretene Gras unter der kleinen Felserhebung, auf der der Chavonth gelauert hatte. Meine Fäuste krallten sich um die Kehle des Wesens und schoben mit letzter Anstrengung den Kopf zurück, ein Bein um seinen Körper geschlungen. So drückte ich ihn an mich und verhinderte damit, daß die Klauen sich in meinen Leib bohrten. Mit einer letzten Anstrengung, einem gewaltigen Aufbäumen meiner Muskeln ruckte ich den Kopf zurück und brach dem Chavonth das Genick an der Stelle, an der noch die abgebrochene Säbelklinge steckte.
Ich schleuderte den toten Körper von mir und trat einige Schritte zurück. Heftig atmete ich die süße kregische Luft und wischte mir den Schweiß vom Gesicht.
»Bei Vox!« rief ich. »Das war knapp!«
»Dank Farilafristle«, sagte Fimi zitternd und sah mich mit aufgerissenen Augen an. Schluchzend wandte sie sich zu Naghan um, der zurückgaloppiert kam, wobei er sein Tier gnadenlos peitschte.
»Das Jikai gebührt dir, Dray Prescot«, sagte er ernst, stieg ab und half Fimi von ihrem Tier.
»Was das betrifft, so muß ich nun wieder zu Fuß gehen, bei Krun!« sagte ich. Wir sammelten die Sachen ein, die ich für unentbehrlich hielt, dann ließen wir die tote Gnutrix und den Chavonth liegen und setzten unseren Weg durch das immer stärker bewaldete Land fort.
Die Wunden, die ich davongetragen hatte, würden abheilen, doch im Augenblick schmerzten sie noch sehr.
»Lieber ein Chavonth als ein Khirr«, sagte Naghan und hielt seinen Speer bereit. Das Halstuch hatte er herabgezogen. »Es ist gut, Apim, das Tuch griffbereit zu halten. Du mußt es dir sofort über das Gesicht ziehen, wenn du einen Khirr siehst.«
»Was? Bringen sie dich mit einem Blick zum Erstarren?«
»Nein, es sind keine Gengulas aus der Sage. Sie sind real. Sie spucken.«
In den nächsten Tagen kamen wir schnell voran. Stets hatten wir genug frisches Fleisch und fanden auch ausreichend Früchte. Von Zeit zu Zeit versuchte man uns aufzuhalten, doch wir kämpften uns durch; dabei eroberte ich ein jämmerliches kleines Messer, das aber besser als gar nichts war.
Wir lagerten in einer Höhle, und Fimi blickte sich nervös um; ihre Hand betastete das Atra, das sie in Form eines Bandes am rechten Arm trug. Auch Naghan war mit
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