Saga von Dray Prescot 17 - Vallian-Zyklus 03 - Dayra von Scorpio
Ausgang des Kampfes war also immer noch offen. Ein Mädchen in schwarzem Lederwams wurde von den Kämpferinnen in den Ring gestoßen. Gemessenen Schritts ging sie in die Mitte.
»Sie bringt dich um, Ros!« kreischte Firn.
Das schwarzgekleidete Mädchen näherte sich den Kämpferinnen, die sich nun voneinander lösten. Karina die Schnelle lächelte dem ankommenden Mädchen entgegen; ihr schien der Kampf nichts ausgemacht zu haben, während Firn erschöpft zu Boden sank.
»Forderst du mich heraus, Ros die Klaue?«
»Wenn du willst. Wie auch immer – auf jeden Fall hörst du sofort damit auf, Firn zu quälen.«
»Dann mußt du mich besiegen.«
»Also ein Jikordur.«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»Ein Jikordur kommt nicht in Frage. Der Trylon hat Duelle auf den Tod strengstens verboten!« rief ein Mädchen aus der Menge.
»Zu den Eisgletschern Sicces mit Udo! Dieses Leemweibchen hat genug gefoltert. Ihr muß eine Lektion erteilt werden.«
Ich fragte mich, was Dayra tun würde, wenn sie hier war. Bestimmt hatte sie solche Szenen schon mitgemacht.
Ros die Klaue, ein schlankes, katzenhaftes Mädchen, deren Augen Kampfmut und Intelligenz verrieten, zerrte Firn vom Boden hoch und wandte sich zu der Rothaarigen um.
»Also gut. Dee-Sheon ist mein Zeuge, es soll kein Jikordur sein – ein ganz gewöhnlicher Kampf!«
Bei den Worten Dee-Sheon machten viele anwesende Frauen kleine Bewegungen mit den Fingern. War dies ein Zeichen der Verehrung oder eine Geste, die böse Kräfte abwehren sollte? Unzählige Götter und Göttinnen bevölkern den Pantheon Kregens. Ein Verzeichnis aller hätte es mit dem New Yorker Telefonbuch aufnehmen können.
Dies war der Augenblick, da ich mich abwandte. Ich hatte genug gesehen. Die Mädchen waren nicht an die ritualistischen Regeln eines Jikordur gebunden und würden nicht bis zum Tode kämpfen. Karina lachte verächtlich, streckte sich und bewegte das Rapier in schnellen, geschickten Streichen durch die Luft. Sie strahlte Zuversicht aus.
Langsam zog Ros aus dem Beutel an ihrer Hüfte ein Gebilde aus schimmerndem Stahl, ein Ding wie ein mit Scharnieren versehener Metallhandschuh, mit scharfen Stahlklauen bewehrt, ein grausames Instrument. Sie zog diese Kampfhand über die linke Faust. Die scharfen Kanten funkelten. Metallstege ragten über ihr Handgelenk. Sie drehte die Tigerkralle und öffnete und schloß sie prüfend.
Schweigen senkte sich über die Menschenmenge.
Die beiden Mädchen standen einander gegenüber. Karina die Schnelle bewegte geschickt Rapier und Dolch; Ros die Klaue hatte ihr Rapier gehoben und hielt die linke Krallenhand zum Zuschlagen bereit.
Ich wandte mich ab und ging. Ich hatte keine Lust, den nachfolgenden Kampf zu verfolgen. Hätte ich aber wetten müssen, wäre mein Einsatz bis zum letzten Kupfer-Ob auf Ros gegangen.
Ich hatte kaum ein Dutzend Schritte zurückgelegt, als ein blubbernder Schrei sich in die klare Luft erhob. Ich ging weiter. Ich schaute nicht zurück.
Ein ächzendes Seufzen stieg aus der Menge aus.
Mich schauderte.
Das alles war Frauensache. So etwas sollten sie untereinander ausmachen.
14
»Bist du sicher, Nalgre? Ganz sicher?« Den in mir brodelnden Zorn mußte ich verbergen, so gut ich konnte. Ich durfte in diesem Lager nicht zuviel Interesse an vallianischer Politik zeigen.
»Ganz sicher, Jak. Ich habe mit einem Flugbootpiloten gesprochen, der im Geleit des Trylon eingetroffen ist. Lord Farris ist verhaftet und des Verrats bezichtigt worden. Und andere aus seinem Lager.«
»Das macht unsere Aufgabe einfacher«, warf Dolan ein. »Farris war dem Herrscher treu ergeben.«
»Ja«, sagte ich. »Das stimmt.«
»Und da Udo jetzt im Lager ist, werden wir uns heute melden und einschreiben.«
»Ja«, sagte ich, um meine Tarnung nicht platzen zu lassen.
Die Neuigkeiten trafen mich schwer. Lord Farris war ein treuer Anhänger Delias und des Herrschers. Wie kam es dann, daß er eines so scheußlichen Verbrechens beschuldigt wurde. Ihn beschuldigen, ja: das war sicher kein Problem. Aber es mußte sich um eine falsche Anklage handeln. Kein Zweifel – in Vallia waren geheime Kräfte am Werke, die die Position des Herrschers von innen aushöhlen wollten.
Das Problem mit dem Söldnervertrag lag mir ebenfalls im Magen. Es widerstrebte mir, mich offiziell zu verpflichten, weil ich dann gezwungen wäre, mein Wort zu brechen, wenn ich mich absetzte. Natürlich war mein Hiersein ein Schauspiel, ein Trick, ein Vorwand, aber das zählte
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