Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
versuchten. Im Kampf gegen Werstings wollte ich nicht noch von einer Frau und einem Kleinkind behindert sein. Und so faßte ich das Mädchen fürsorglich fester um den Arm, flüsterte ihr einige Wahrheiten ins Ohr, die sie erneut zum Zittern brachten, und marschierte selbstbewußten Schrittes los. Die Geschichte, die ich den Wächtern erzählen wollte, lag mir auf der Zunge.
Nun ja, der Mensch sät Getreide, doch Zair erntet.
Irgendwo wurde eine Harfe gespielt, lange, gedämpfte Tonreihen in einem Korridor mit fliederfarbenen Bespannungen und hübschen Bildern, die nicht so recht zu den nüchtern-zweckmäßigen Rüstungen und Waffen und tobenden Leidenschaften paßten. Denn ich war ziemlich aufgedreht, und das Fristle-Mädchen halbtot vor Angst, und die Wächter hatten nichts gegen einen kleinen Spaß, um sich von ihrer Langeweile abzulenken.
Gemessenen Schrittes näherten wir uns. Und was taten diese gelangweilten Wächter? Es hat mich immer abgestoßen, wenn sich jemand zu zerstreuen sucht, indem er andere niedermacht und belästigt. Nicht anders bei diesen vieren, die sofort mit dem üblichen Unsinn begannen. Ich ging weiter, und mein steinernes Gesicht hätte die Burschen warnen müssen. Die Fristle schnappte nach Luft. Als die Hänselei zu grob wurde, nachdem man uns mit einem lässig gesenkten Speer den Weg versperrt hatte und das Fristlemädchen in einem wahren Angstkrampf beinahe bewußtlos zu Boden sank und die Wächter sich ihr mit eindeutigerer Absicht widmen wollten, gab es für den Onker aller Onker, Dray Prescot, keinen anderen Ausweg mehr: Er mußte sie daran hindern.
Sie legten sich ganz friedlich schlafen, alle vier.
»Der Teufel soll das holen!« schäumte ich. Nun kam es darauf an, Thelda Polista und ihren Sohn möglichst schnell herauszuholen. Bald würde man die schlafenden Wächter entdecken. Wenn wir sie in den Raum zerrten und die Tür verschlossen, würde ihr Fehlen auffallen. Und wenn wir sie einfach liegen ließen, würden sie sich erholen und in Kürze Alarm schlagen.
Also stürmten wir hinein.
Das widerliche Benehmen der Wächter hätte mich eigentlich warnen müssen. Von den vier Mann war einer Paktun gewesen. Der zuständige Hikdar dieser Gruppe war ebenfalls Paktun, ein Apim, der sich für verdammt gutaussehend hielt, mit lockigem braunen Haar und auffälligen Augen und prahlerischem Gebaren. Die Frau, die er in einer Nische in den Armen hielt, wehrte sich stumm. Er hatte schon früh mit seiner kleinen Attacke begonnen. Ich fragte mich, ob Layco Jhansi davon wüßte, und machte mir sofort klar, daß er bestimmt keine Ahnung hatte. Oder vielleicht doch – und daß es ihm gleichgültig sei. Solange Lols Frau noch lebte und als Tauschobjekt zur Verfügung stand, machte es Jhansi nichts aus, welche Qualen sie erleiden mußte. Die beiden standen teilweise im Schatten. Ich ließ die Fristle los, die haltlos zu Boden sank, und eilte mit großen Schritten über den Teppich, wobei ich einen kleinen Tisch mit dünnen gedrechselten Beinen umstieß. Der Säugling lag in einer Liege, die etwas seitlich stand. Theldas Kleid war verrutscht, und ich vermutete, daß sie das Kind nach der Morgenmahlzeit schlafen gelegt hatte. Mir war danach, diesen Rast von Hikdar ebenfalls schlafen zu legen.
Mit gewissem Nachdruck versetzte ich ihm einen Schlag hinter das Ohr.
Mit dem Gesicht nach unten brach er lautlos zu Füßen der Frau zusammen. Ihr Gesicht hellte sich auf. Sie begann zu schwanken und hob eine Hand an die Brust.
»Dray – o Dray, du bist es!«
Entsetzt starrte ich sie an.
15
Manchmal springt man nach einem besonders bösen Traum mit einem Entsetzensschrei aus dem Bett und greift nach dem Schwert, das griffbereit am Kopfende hängt.
Nun ja, ich konnte nicht verhindern, daß mir ein Entsetzensschrei über die Lippen kam. Und in der Hand hielt ich bereits ein Schwert.
Doch ein Erwachen aus diesem Alptraum gab es nicht.
Seg!
»Dray, o Dray!« Thelda eilte mit ausgestreckten Armen auf mich zu, und mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu umfangen und ihr Zittern zu spüren, die Reaktion eines schwachen Tiers, das in eine Falle geraten ist. Sie saß schrecklich in der Klemme, ohne es zu wissen.
»Thelda«, sagte ich tonlos und fügte noch hinzu: »Wir holen dich hier heraus. Nimm dich zusammen, meine Liebe.«
Sie hob das Gesicht und schaute mich an. Tränen benetzten ihre Wangen. Sie entsprach dem Bild meiner Erinnerung: Sie war unverändert schön, unverändert rundlich
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