Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
und glücklich, unverändert egozentrisch, trotz ihrer äußerlichen Ergebenheit gegenüber ihren Freunden, denen sie eine Art hündische Liebe entgegenbrachte. Ja, dies war Thelda, über die ich oft gespottet und gelacht hatte, die Delia und mir eine gute Gefährtin war – Segs Frau und die Mutter seiner Kinder!
In dem vorsichtigen Versuch, mich aus ihrer Umarmung zu lösen, trat ich behutsam zurück und wandte mich ein wenig zur Seite, aber sie klammerte sich an mir fest, die nackten Arme um meinen Hals geschlungen, das tränenüberströmte Gesicht dem meinen zugeneigt. Ich küßte sie nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, sie jemals geküßt zu haben. Doch wir standen in enger Umschlingung, und ich spürte ihre Wärme, ihr Parfüm, und ich sah, wie plötzlich die Tür aufgerissen wurde. Ein Mann stürmte herein. Ich wollte Thelda von mir schleudern – aber diese Geste war plötzlich nicht mehr erforderlich.
Lol Polisto stand vor mir, zerzaust, ein blutiges Schwert in der Faust, Blutstropfen auch überall auf der flotten Chulik-Uniform. Er sah uns.
Das heftige, instinktive Auflodern der Eifersucht, das sich auf seinem Gesicht bemerkbar machte, verschwand sofort wieder, als ich die Initiative ergriff.
»Dank sei Opaz, daß du aus dem Loch heraus bist, Lol! Thelda ist bei bester Gesundheit. Ebenso das Kind. Jetzt sollten wir aber verschwinden, bei allem, was uns lieb ist!«
»Ja, ja!« rief Thelda. Es war nichts Gespieltes an der Art, wie sie sich von mir löste und sich auf Lol stürzte. Ich stand allein, und das Gehirn in meinem alten Vosk-Schädel fühlte sich an, als hätte jemand darunter ein Feuer angezündet. Wußte Thelda denn nicht, daß Seg noch lebte? Und wenn sie es wußte, machte es ihr etwas aus? Dann fiel mir die beiläufige Bemerkung Lols ein, daß der Kov von Falinur tot sei. Dieser Überzeugung mußte auch Thelda sein. Es ging nicht anders ...
»Nun, mein Liebstes«, sagte Lol, preßte Thelda an sich und fuhr ihr über den Rücken und das Haar und beruhigte sie auf eine Weise, die von der engen Beziehung dieser beiden kündete. »Der Herrscher und ich werden dich und unseren Sohn hier herausholen, und dann ...«
Mit gerötetem Gesicht wich Thelda ein wenig zurück, ohne allerdings ihren heftigen, sehnsuchtsvollen Griff zu lockern. »Ist der Herrscher mit einer Armee gekommen? Nach allem, was ich für ihn und seine Familie getan habe, ist das das mindeste, was er für uns tun konnte.«
Daraufhin mußte ich lachen – ich schwöre es Ihnen, ich lachte.
War das nicht typisch Thelda?
Lols verwirrter Gesichtsausdruck steigerte meine Heiterkeit noch.
»Dies ist der Herrscher, liebste Thelda, also sei – höflich.«
»Ich sehe ihn nicht, Los. Was ...?«
»Ich bitte euch, ihr beiden«, unterbrach ich das Gespräch. »Wenn ihr euch unbedingt streiten müßt, tut das auf der Flucht!«
Wir ließen das bewußtlose Fristle-Mädchen ebenso liegen wie den Hikdar, von dessen Benehmen ich Lol lieber doch nichts sagen wollte, und verließen den Raum. Thelda trug das Kind vor der Brust. Lols Beschützerinstinkte waren dermaßen geweckt, daß ich mir jede Frage sparen konnte, wie er aus dem Schacht hatte entkommen können. Auf unserem schnellen Marsch durch den Korridor erzählte er, daß er mehrere Werstings, wilde kregische Jagdhunde, und auch zwei Sklavenaufseher niedergekämpft hatte. Dies wischte mir das Lächeln vom Gesicht. Er war aus der anderen Richtung gekommen, aus der Richtung, in die das Fristle-Mädchen mich führen wollte, und hatte beim Anblick der Wächter sofort erraten, daß er sein Ziel erreicht hatte. Auch habe er, so fuhr er fort, ein kurzes Gebet zu Opaz gesprochen, ehe er die Tür auftrat und über die Schwelle stürmte.
Wir nahmen die nächsterreichbare Treppe nach oben, denn Thelda hatte uns offenbart, daß es auf dem Dach des Latten-Hauses einen kleinen privaten Vollerpark gab. Mit einem Flieger waren sie und ihr Kind hergebracht worden. Am nächsten Treppenabsatz stießen wir auf zwei sich räkelnde, gähnende Fristle-Wächter, die keine Chance hatten, sich aufzurappeln. Die Treppenstufen waren nicht mehr mit kostbaren Verzierungen ausgestattet, sondern zeigten eine schlichte Ockerfärbung. Lautlos schritten wir aus. Ziemlich weit oben fanden wir in einer Nische eine Silberlampe, die in der Form eines Flugboots gestaltet war; die hohe Flamme brannte ruhig und gleichmäßig. Nach dem Durcheinander weiter unten kam uns die Stille seltsam vor. Thelda blieb japsend stehen und
Weitere Kostenlose Bücher