Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
schmale Gänge, die sie inzwischen gut kannte, eilte sie auf nackten Füßen. Das Versteck unter dem Pflasterstein würde ihr kräftige Sandalen liefern, die eine Jikai-Vuvishi tagelang laut fluchend gesucht hatte. Fackeln warfen im Nachtwind ihren schrägen, unruhigen Schein. Am Himmel funkelten Sterne. Der Brunnen im Hof wirkte ohne den Dummen Nath irgendwie verlassen.
Die Küche war natürlich noch in Betrieb; hier wurden die Speisen vorgekocht, die später im großen Saal fertigzustellen waren. Delia wich dem Lichtschein aus und huschte zu ihrem Pflasterstein. Sie legte die dunkelbraune Kleidung an, machte den Gürtel fest und betastete den schwarzen Griff des Zwiebelmessers, das sie Nan dem Busen entwendet hatte. Dann band sie die Sandalen fest und machte sich auf den Weg zu den Totrixställen.
Die gegenüberliegenden Türen führten auf den Hof, und ließen den Schein zahlreicher Fackeln durch, die sich im Wind wild bewegten. Zorcahufe stampften, Totrixes ächzten und schnaubten, Räder knarrten. Eine Prozession wälzte sich auf den Hof. Delia suchte in den Schatten Deckung und verwünschte die unpassende Störung. Nun mußte sie warten, bis diese Idioten verschwunden waren.
Die prunkvolle Kutsche, die dem Sklaventrupp vorausgefahren war, hielt kein Dutzend Schritte von ihr entfernt. Reiter auf Totrixes und Zorcas zügelten ihre Tiere. Lanzen mit flatternden Wimpeln wurden geneigt. Delia war von dem Ächzen zahlreicher Rüstungen umgeben und verharrte reglos wie ein Woflo, der von einem Chavnik beschlichen wird.
»Der Tanz hat schon angefangen, Nath! Wir sind spät dran!«
Der Kutscher wandte den Kopf. »Ja, Herr.«
»Du erhältst zur Strafe zehn Peitschenhiebe. Zehn.«
»Ja, Herr.«
Der Kutsche entstieg ein Mann, der einen weiten Mantel und einen Helm trug. Eine Aura der Macht und der Aufgeregtheit umgab ihn. Er stampfte mit den Stiefeln. Ein Totrixreiter stieg ab, warf einer wartenden Jikai-Vuvushi die Zügel zu und näherte sich dem Energie versprühenden Mann.
»Chica! Geh und sag meiner Schwester, daß ich da bin. Sie soll einige zahme Sklaven schicken, die sich um mich kümmern, ehe ich zum Tanz komme!«
»Sofort, Jen«, sagte dieselbe Chica, die auf dem Hermarsch Delias Leidensgenossen ungemein streng behandelt hatte. Sie entfernte sich auf langen Beinen, kraftvoll und mächtig, ein Kampfmädchen vom Kopf bis zu den Füßen. Eine unangenehme Frau, sagte sich Delia.
Sie hockte in den Schatten und beobachtete und lauschte und verfluchte die Dummköpfe, weil sie ihre sorgfältig geplante Flucht störten. Sie mußte warten, während sich Nath der Muncible dem herumstampfenden Burschen näherte, der Kovna Nyleens Bruder war. Ein hübsches Pärchen. Delia musterte die Zorcas… wenn sie auf einem dieser Tiere säße, würde niemand sie aufhalten können… Nur wenige kregische Tiere waren auf dem Boden so schnell wie eine Zorca.
»Deine Befehle, Jen?« fragte Nath der Muncible mit seiner gelassenen Stimme.
»Kümmere dich um die Männer. Bring sie unauffällig unter. Du weißt ja, wie meine Schwester zu Männern steht.«
»Aye, Jen. Du natürlich ausgenommen, sei’s gedankt.«
»Ohne mich kommt sie nicht zurecht.« Die großen Worte klangen aufgeblasen. Delia hielt es für angebracht, sich durch die Schatten davonzuschleichen und nach einer Zorca Ausschau zu halten. Aber da sprach der großgewachsene Mann heftig und zornig weiter: »Sie hat diesen blöden Vomanus geheiratet, so daß wir dem Thron alle einen Schritt näher gekommen sind. Sobald die Herrscherin eintrifft, töten wir sie und können dann den zweiten Schritt tun!«
12
Die Herrscherin bewegte sich nicht mehr.
Gleichmäßig atmend, hellwach, reglos, starr wie ein Reptil, das auf den richtigen Augenblick des Zuschlagens wartet, hockte sie in der schattigen Dunkelheit und ließ die eben gehörten Worte in ihrem Gehirn widerhallen.
›Sobald die Herrscherin eintrifft, töten wir sie…‹
Nun kam es nicht mehr in Frage, einfach in die Nacht hinaus zu fliehen.
Nein, zunächst mußte sie mehr über die Verschwörung gegen ihr Leben erfahren. Wenn sie aber ausrückte… Nun ja, sie konnte immer noch wie vorgesehen mit ihren Armeen zurückkehren. Darüber mußte sie später entscheiden. Aber sie war Delia. Sie war Delia aus Delphond, Delia aus den Blauen Bergen. Sie war Delia von Valka und Herrscherin von Vallia, außerdem Königin und Prinzessin und Kovneva und Stromni an etlichen anderen Orten. Sie war ehrlich genug, sich
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