Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
Freigiebigkeit falsch gewesen.
Ich hätte wetten können, daß inmitten der bedauernswerten Krüppel auch einer von Naghans Spionen hockte.
Lautes Lärmen umgab mich, durcheinanderschreiende Menschen, das Jammern der Bettler, die klirrende Ausrüstung von Satteltieren, die schrille Musik einer Jongleurstruppe. Vor dem Tor lag der Drinnik der Wanderer – eine große freie Fläche, auf der sich Karawanen bildeten oder aufgelöst wurden. Obwohl mir diese Szene in mancher Hinsicht gar zu vertraut war und obwohl die Herren der Sterne – wie ich mir vorstellte – aus eigenen Motiven den kregischen Völkern und ihren Gewohnheiten einen gewissen Stempel der Einheitlichkeit aufgedrückt hatten, bestand für mich kein Zweifel, daß ich in einem fremden Land war. Ein Panorama, wie es sich vor meinen Augen entfaltete, war in Vallia und selbst in Havilfar nicht möglich. Einzelne Elemente mochten die gleichen sein, die Grundstrukturen mochten sich nach den gleichen Regeln entwickeln, doch ergab sich dort im Endeffekt ein ganz anderes Bild. Kregen ist eben eine Welt der stärksten Gegensätze wie auch der Gleichheit – ein nie endendes Wunder für alle Sinne.
Ein Mann in voller Rüstung trabte auf einem Hersany durch das Tor, gefolgt von einer ganzen Calsany-Kette, beladen mit Strohkörben, jeweils zwei auf jeder Seite, auf und nieder hüpfend, doch von festen Leinen gehalten. Wächter ritten an den Flanken. Diese Karawane hatte ein bestimmtes Ziel und war froh, vor Sonnenuntergang den Schutz der Mauern erreicht zu haben. Die Jongleure führten weiter ihre Kunst vor und erhielten Konkurrenz durch andere Künstler, die eine Art primitives Stück aufführten; dabei kamen jede Menge wassergefüllte Ballons und falsche Schwänze zum Einsatz. Ein Musiker, der sich von Kopf bis Fuß mit Instrumenten behängt hatte, hüpfte lärmend auf und nieder und brachte zu meiner Überraschung eine nicht mal schlecht klingende Melodie hervor, die allerdings mit Trommeldröhnen und Zimbelschlägen beflügelt wurde.
Ich bestieg Frupp und führte ihn behutsam durch das Tor, sobald sich eine geeignete Lücke auf tat. Ich wollte keine Aufmerksamkeit erwecken. Hinter dem Drinnik der Wanderer öffnete sich die Landschaft. Die Bäume waren hier längst gefällt worden, denn kein vernünftiger Stadtkommandant wird gegnerischen Bogenschützen in Schußweite der Mauern eine sichere Deckung belassen. Der Weg schlängelte sich von mir fort und umrundete eine Anhöhe des Lhorca-Rückens. Langsam ritt ich den Weg entlang. Nach kurzer Zeit rückten die Wälder an die Straße heran und erinnerten mich auf das unangenehmste an Pompino und den schurkischen Ift Twayne Gullik und an das Schicksal von Kovneva Tilda. Es war mir sehr vernünftig vorgekommen, diesen Ausritt zu übernehmen; so hoffte ich Strom Murgon recht früh zu begegnen.
Aber in Wirklichkeit konnte mir das nicht weiterhelfen. In Wahrheit ritt ich hier nur durch die Gegend, um meine Nerven zu beruhigen. Diese Erkenntnis ließ mich Frupps Kopf herumziehen. Ich ritt zurück. Das Tier beklagte sich nicht.
Ich mußte einen geeigneten Einstiegskandidaten finden; das war bestimmt ergiebiger.
So einfach durch die Straßen zu reiten, war vielleicht nicht der beste Plan. Aber es wäre sinnlos gewesen, zu lange zu warten.
Ich brauchte jemanden, der mir nicht gar zu unähnlich sah. Das offenkundige Problem war die Tatsache, daß so ein Bursche bestimmt gut bekannt war. Wie ich mich dagegen wappnen sollte, machte mir Sorgen; wenn ich etwas über ihn herausfinden wollte, gab es im Grunde keine andere Möglichkeit, als ihn auszufragen. Nach einiger Zeit fand ich einen geeigneten Kandidaten für meinen finsteren Plan. Der Mann verließ soeben eine Taverne, den Boiwink und Clooke, und schwankte eben genug, um ihn zum Opfer meiner zupackenden Fäuste zu machen ...
Dies alles geschah in einer Nebenstraße, in die er getorkelt war, um sich zu erleichtern. Er stieß keinen Laut aus. Mir ging es nicht um seine Kleidung, die sich von der meinen – von Pandos – nicht sehr unterschied, auch nicht um sein Geld oder seine Waffen. So nahm ich ihm lediglich den hüftlangen Umhang ab, der außen grau und innen braun war, umbördelt mit Silberlitze. Sein Abzeichen ließ ich ebenfalls mitgehen. Der Silber-Leem war kunstvoll herausgearbeitet, das braune Federbüschel buschig. Ich ging davon aus, daß der Bursche in der Hierarchie des Silber-Leem noch nicht allzuweit aufgestiegen war. Sein Beutel ergab den womöglich
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