Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze
Milsis Tunika, schwenkte zurück und riß dabei den blauen Stoff bis zum Rücken herum auf. Sie schrie auf. Seg hieb einmal kurz zu und ließ die Spitze der Ranke auf den Waldboden fallen, wo sie zuckend liegenblieb.
»Hat sie ...?«
»Nein, Dank sei dem guten Pandrite!«
Die Haut war nicht verletzt, Blut war nicht zu sehen. Ernst und mit ausdruckslosem Gesicht hob Seg das zerrissene blaue Gewand zur Seite und betrachtete Milsis Bauch, Flanke und Rücken. Die gebräunte Haut wies keine Verletzung auf. Er seufzte erleichtert.
»Das ist ein Problem, wenn man solchen Tierpfaden folgt.«
»Immer noch besser, als sich durch den schrecklichen Dschungel zu kämpfen.«
Im Weitergehen fragte sich Seg allmählich, wieso Milsi unter der Tunika so schön gebräunt war. Seit er sie kannte, war sie immer bekleidet gewesen, meistens in Lumpen – bis in die letzte Höhle des Coup Blag. Nur bei längerem Aufenthalt im Schein der Sonnen konnte man eine so schöne Bräunung bekommen.
Nun ja, er wollte sie zu einem günstigen Zeitpunkt darauf ansprechen. Wahrscheinlich würde sie antworten, daß sie zu Hause in der Sonne gelegen hatte. Anscheinend befahl sich dieses Zuhause nicht in der Hauptstadt dieses Landes, das Croxdrin hieß, sondern etwas weiter nördlich auf den Ebenen von Mewsansmot.
Auf dem engen Pfad konnten sie sich nicht unterhalten. So gern er mehr über sie und ihre Vergangenheit erfahren hätte – wie es jedem Wandersmann erging, der Einzelheiten über Menschen und Orte und Dinge wissen wollte –, mußte Seg sich an das eigene Gebot der Geduld halten.
Die Gegend hatte er einigermaßen im Kopf. Der Fluß, Fluß des Blutigen Bisses genannt, wand sich in einem riesigen Bogen um die Engen Hügel. Der Verkehr fand auf dem Wasser statt. Die Zähne und Klauen, die sich im Kazzchun-Fluß betätigten, waren nicht so angsteinflößend wie die Schrecknisse des Waldes.
Von hier aus mußte jeder Weg, es sei denn, er führte in eine westliche Richtung, Seg und Milsi zum Fluß führen.
Er sagte sich, daß eine leichte nordöstliche Richtung wohl das beste wäre. Wenn die Entfernung zum Fluß ziemlich gleich war, dann konnte er die auf dem Fluß zurückzulegende Strecke abkürzen, indem er nach Norden marschierte. Immer wenn sie Rast machten – die Kräfte mußten geschont werden –, stellte Milsi Fragen, um ein wenig mehr von der Geschichte des furchteinflößenden Kriegers und Bogenschützen zu erfahren.
»Sag mir zunächst mal, Seg, wie du zu deinem Beinamen gekommen bist.« Seg mußte laut lachen.
»Horkandur?« Offenkundig hing er einem sehr erfreulichen Gedanken an. Milsi mußte unwillkürlich mitlächeln. Segs Gesellschaft machte ihr Spaß; wenn sie mit diesem Mann zusammen war, vermochte sie ihre eigenen Probleme zu vergessen, auch wenn ihr dafür andere Gefahren drohten.
»Ich weiß, darin kommt zum Ausdruck, daß du großen Ruhm als Bogenschütze genießt ...«
»Damit liegt der Spitzname gar nicht mal so falsch, auch wenn ich Prahlhänse nicht ausstehen kann. Nein, mein alter Dom, der Mann, der dir als der Bogandur bekannt ist – er hat mich so getauft, als ich ihm seinen Spitznamen verpaßte. Dies geschah, als wir im Drachennest zu der Expedition stießen ...«
Sie verhehlte ihr Erstaunen nicht.
»Aber das geht doch gegen jede Ehre! Ihr gebt euch gegenseitig wohlklingende Namen – einfach nur so? Ich bitte dich, Seg, du überraschst mich sehr!«
»Wir wollten unsere echten Namen nicht benutzen.«
»Seid ihr auf der Flucht?«
Wieder mußte er lachen.
»Auf eine Weise schon – doch nicht vor der Gerechtigkeit. Wir hielten es einfach für angebracht. In Wirklichkeit heiße ich Seg Segutorio.«
Ernst geworden neigte sie den Kopf und sagte: »Lahal, Seg Segutorio.«
»Lahal, meine Dame Milsi. Und dein ganzer Name?«
Ihr Lächeln erstarb.
Ein Flattern ließ sie aufschrecken. Sie stieß einen Schrei aus, denn sie schaute direkt in zwei hellrote Augen, die von den Ästen eines nahen Baumes herableuchteten. Seg folgte ihrem Blick und entdeckte den kleinen pelzigen Körper und den um einen dünneren Ast gewickelten Schwanz. »Noch ein kleiner Colo. Vielleicht müssen wir heute abend seinen Vetter auffressen. Der ist im Augenblick sicher vor uns.«
Der lächerliche Zwischenfall gab ihr die Zeit, sich eine Antwort zu überlegen.
»Mein Vater hieß Javed Erithor der Gute. Meine Mutter Natema Parlaix. Ich kann beide Namen nach Belieben benutzen.«
»Ich kenne die Sitte. In Erthyrdrin werden Namen nach
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