Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze
und schluckte trocken. Er blickte zu dem riesigen Boltim empor, der ihn wie ein urzeitlicher Dschungelbaum überragte. »Nein.«
»Das ist klug.«
»Ach, die armen jungen Leute!« rief Milsi. Sie eilte herbei und nahm das Mädchen wie ein Kind in die Arme. Das junge Geschöpf weinte.
»So stehen die Dinge also«, stellte Seg fest und seufzte. Sex und Liebe und Stammestabus hatten in der kregischen Vergangenheit schon oft eine Rolle gespielt und würden ihre Wirkung vermutlich auch künftig entfalten.
Der Jüngling trug rote Federn.
Das Mädchen zierte sich mit blauen Federn.
»Wenn man uns findet, trennt man uns«, sagte der Junge mutig. »Wenn man uns nicht sogar tötet.«
»Ich kann mir nicht denken, daß man dich umbringen würde. Wer im Wald lebt und sich einiger Gefahren erwehren muß, schätzt das Leben bestimmt hoch ein.«
»Du kennst sie nicht – sie sind in ihren Überzeugungen so starr wie versteinerte Bäume. Blutsverwandtschaft, Erbe, Tabus – dabei liebe ich Bamba.«
Bamba, das junge Mädchen, kuschelte sich in Milsis Arme und rief erstickt: »Und ich liebe Diomb!«
Seg nahm den Pfeil herunter und verstaute die Waffe auf dem Rücken. Er hatte nicht die Absicht, sich in die halb komischen, halb tragischen Angelegenheiten dieser kleinen Waldbewohner hineinziehen zu lassen.
»Nun ja«, sagte er mit einer gewissen Barschheit. »Ich weiß nicht, was ihr beide getan habt. Aber wenn ihr nicht zu euren Stämmen zurückkehren könnt, müßt ihr fliehen. Ich wünsche euch alles Gute.«
»Wir sind ja schon geflohen – wurden aber erwischt. Dann kam der Toilca und ...«
»Der Toilca ist tot, und eure beiden Stämme versuchen sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Am besten verschwindet ihr jetzt.«
»Ach!« jammerte das Mädchen. »Ich wünschte, Clomba vom ewigen Obstbaum hülfe uns!«
Der Pygmäe, der bis auf eine kleine Schürze aus Baumrinde nackt war, starrte zu Seg empor und umklammerte sein Blasrohr. Er hatte ein angenehmes Gesicht mit regelmäßigen Zügen, und die dunklen Augen verrieten eine wache Intelligenz. Seg überlegte gerade, daß ja jeder Augapfel leuchten konnte, daß das noch lange nicht bedeutete, daß sein Eigentümer überhaupt Verstand hatte, aber da ergriff Diomb mit einer Plötzlichkeit das Wort, als wäre ein Korken aus einer Flasche geplatzt. »Wir wollten ausreißen, den Fluß überqueren und irgendwo unser Glück machen. Wir können euch begleiten: das ist ausgezeichnet.«
»Was?«
»Nun ja, Boltim, Bamba und ich marschieren mit euch. Zusammen sehen wir die weite Welt!«
»Ach, aye!«
Milsi fiel Seg mit ihrer begeisterten Zustimmung in den Rücken.
»O ja, Seg! Laß sie mitkommen!« Dann vergaß sie vorübergehend, wo sie war, und fügte hinzu: »Ich werde Diomb und Bamba mitnehmen. Sie sind mir sehr willkommen.«
Seg betrachtete seinen lohischen Langbogen und schüttelte den Kopf. Dann schob er sich die Waffe oben auf die Schulter, machte sie dort fest, wandte sich um und sagte: »Na schön – laß sie mitkommen. Aber du kümmerst dich um sie, meine Dame Milsi!«
Zornig und zugleich verzweifelt, daß Männer doch nie vernünftig sein konnten, rief sie: »Das tue ich! Mach dir deswegen keine Sorgen, Seg Segutorio!«
5
Im weiteren Verlauf der Wanderung durch den Wald zum Fluß des Blutigen Bisses mußte sich Seg bald eingestehen, daß die Dinkus Diomb und Bamba wertvolle Mitglieder der kleinen Reisegruppe waren. Sie kannten die Gegend, die immerhin ihre Heimat war. Diomb hatte die mysteriösen und anstrengenden Mannbarkeitsriten seines Stammes gerade hinter sich und besaß erste Kenntnisse als Dinkojäger. Bamba und er waren einander offensichtlich sehr zugetan.
Was für die beiden sehr angenehm war – hier und jetzt.
Seg murrte ein wenig herum und warf finstere Blicke auf Milsi, die davon aber keine offenkundige Notiz nahm.
Als von vorn das Klirren und Klappern von Flaschen und Gläsern und so etwas wie das Murmeln menschlicher Stimmen zu hören war, wurde Diomb munter.
Er war ein boshafter Bursche. Halb lachend, warf er Seg einen Seitenblick zu.
»Ah, Seg, hörst du das? Dort warten Freunde auf uns.«
Segs menschliche Toleranz reichte aus, um einen Augenblick zu zögern, ehe er glaubte, daß der Dinko seine Worte ernst meinte. Die Geräusche entstanden offenbar hinter einem dichten Vegetationsschirm, obwohl der Wald hier offener zu sein schien, ein Zeichen, daß der Fluß nahe war. Wege verliefen kreuz und quer – allerdings keine von
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